Festkörperbatterien sind ein wichtiger Schritt, um den Wechsel zu Elektroautos zu beschleunigen. Denn vor allem die geringe Reichweite und die Brandgefahr von herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien sind immer wieder Argumente gegen den Umstieg. Doch Festkörperbatterie lösen genau dieses Problem und liefern mehr Reichweite und ein höheres Maß an Sicherheit. Mercedes verspricht nun mehr als 1.000 Kilometer Reichweite mit der eigenen Feststoffbatterie aus Lithium-Metall-Feststoffzellen. Aktuell führt das Unternehmen einen Straßentest des Akkus an Bord eines modifizierten Mercedes EQS durch.
25 Prozent mehr Reichweite als mit herkömmlichen Akkus
Im Rahmen eines Testprogramms haben Mercedes-Benz zusammen mit Factorial Energy den ersten von Lithium-Metall-Festkörperbatterie angetriebenen Pkw auf die Straßen gebracht. Die Umstellung auf einen festen Elektrolyten ermöglicht den Einsatz neuer Anodenmaterialien, welche die Energiedichte der Batterie enorm erhöhen. Zudem sinkt auch das Gewicht der Batterien. Mercedes hat nun bei einer vierstelligen Reichweite von 1.000 Kilometern ein Reichweitenplus von 25 Prozent erreicht. Getestet wurde dies in einem Mercedes EQS, der mit einer Akkuladung diese Reichweite erzielte. Mit diesem Akku übertraf der EQS das elektrische Pendant der S-Klasse um 25 Prozent. Doch die Testphase geht weiter.
Schwefelverbindung im Elektrolyten
Die Beschaffenheit des Elektrolyten der Festkörperbatterie, d.h. die stromleitende Schicht zwischen Anode und Kathode, ist neu. Anders als bei Lithium-Ionen-Batterien ist dieser nicht flüssig, sondern fest. Dadurch lässt sich eine enorme Gewichtsreduzierung erzielen. Zudem ist die Batterie weniger empfindlich bei niedrigen Temperaturen und weist ein geringeres Brandrisiko auf.
Zuletzt experimentierte Factorial mit einem schwefelbasierten Elektrolyten. Solche Akku-Modelle, von Factorial „Solstice“ genannt, wurden bereits in Kooperation mit Mercedes entwickelt. Der US-Hersteller zeigt sich optimistisch und ist der Meinung, die Reichweite von Elektroautos bis zu 80 Prozent zu steigern.
Energiedichte und Gewicht
Laut eigenen Angaben konnte Mercedes die gravimetrische Energiedichte auf 450 Wattstunden pro Kilogramm auf Zellebene steigern und damit die Reichweite erhöhen. Die gravimetrische Energiedichte bezeichnet die Energiemenge, die in einer Batterie pro Masseneinheit gespeichert ist. Dieser Wert ist wichtig für die Bewertung der Effizienz und Leistung von Batteriezellen. Die Festkörpertechnologie verringert das Akkugewicht und optimiert gleichzeitig die Zellsicherheit.
Moderne Batterien stellen etwa den halben Wert bereit. Jedoch lässt sich die Energiedichte nicht 1:1 auf das Gewicht der Batterie übertragen, denn für die Herstellung des Feststoffakkus sind zusätzliche Materialien notwendig. Nichtsdestotrotz sei der neue Akku in puncto Abmessungen und Gewicht vergleichbar mit der Batterie im Serien-EQS. Für die Testfahrten habe Mercedes die Festkörperbatterie nur leicht modifiziert, damit sie in den EQS passt.
Pneumatische Aktuatoren beheben Problem mit Volumenänderung beim Laden
Lädt man die Akkus auf, dehnt sich der Elektrolyt aus, wohingegen er sich beim Entladen zusammenzieht. Der EQS-Feststoffakku besitzt einen innovativen schwimmend gelagerten Zellträger, der die Volumenänderungen während des Lade- und Entladevorgangs automatisch ausgleicht. Auf die Änderung des Volumens reagieren nun pneumatische Aktuatoren (druckluftgesteuerte Minischalter) ohne manuelle Steuerung. Dies könnte auch eines der größten Probleme für die Serienreife der Technologie lösen.
Umfangreicher Straßen- und Labortest der Batterie
Für die Entwicklung bekam das US-Unternehmen Factorial Energy, an dem Mercedes seit 2022 beteiligt ist, ein Patent erteilt. Dabei steuerte Factorial die Zellen für den neuartigen Festkörperakku bei, der vor allem von F1-Motorsportexperten der Tochterfirma Mercedes AMG High Performance Powertrains (HPP) in Großbritannien entwickelt wurde. Die ersten Labortests am Fahrzeug wurden bereits Ende 2024 in Stuttgart durchgeführt, so der Hersteller.
Mercedes möchte nun in den nächsten Monaten die innovative Festkörperbatterie und deren Gesamtleistung auf der Straße in einem Elektrofahrzeug testen. Mercedes-Technikvorstand Markus Schäfer betont zudem: „Die Straßentests werden uns wichtige Erkenntnisse für eine mögliche Serienintegration dieser hochmodernen Batterietechnologie liefern.“
Serienreife möglicherweise ab 2030
Das Stuttgarter Unternehmen ist jedoch nicht der einzige Akteur, der momentan an der Feststofftechnik arbeiten. Unter anderem sind auch Nissan, Toyota und Hyundai dabei. Anders als bei den meisten Herstellern, die zum Gewicht und weiteren Details im Rahmen ihrer Forschungsvorhaben mit Feststoffakkus schweigen, hat Mercedes eine ausgereifte Konstruktion im Vorserienstadium.
Im Gegensatz zu einzelnen Zellen oder Experimenten im Reagenzglas kann das baden-württembergische Unternehmen bereits konkrete Eigenschaften des Energiespeichers benennen. Doch insbesondere das Gewicht ist ein wichtiger Faktor, denn die Branche verspricht eine potenzielle Gewichtseinsparung als einen der größten Effekte der neuen Technologie. Auf die Straße möchte Mercedes die Batterie jedoch erst gegen Ende des Jahrzehnts bringen. Zudem soll sie wahrscheinlich vorerst in höherklassigen Pkw-Modellen zum Einsatz kommen.
Quellen / Weiterlesen
Mercedes EQS fährt mit Feststoffbatterie 1000 km weit! | Auto Bild
Mercedes peilt Reichweite von mehr als 1000 Kilometern an | Handelsblatt
Bildquelle: © Mercedes-Benz