Festkörperbatterien gelten als Batterietechnologie der Zukunft, denn sie versprechen mehr Sicherheit, eine höhe Energiedicht und mehr Reichweite für Elektroautos. Doch wann sind Festkörperbatterien serienreif? Bevor Festkörperakkus jedoch markttauglich sind, muss ein Manko beseitigt werden: Die Ermüdung der Lithium-Metall-Anoden, die wiederum als Ursache für eine kürzere Lebensdauer der Batterie gilt. Ein Forschungsteam aus China untersuchte nun in einer Studie einen bestimmten Mechanismus, der Grund für eine kürzere Lebensdauer der Festkörperbatterien mit Lithium-Metall-Anoden sein könnte.
Funktionsweise und Vorteile der Festkörperbatterie
Im Gegensatz zu Lithium-Ionen-Batterien besitzen Festkörperbatterien keinen flüssigen, sondern einen festen Elektrolyten. Diese innovative Technologie bietet vor allem mehr Sicherheit aufgrund eines geringeren Brandrisikos sowie mehr Reichweite für Elektroautos. Weitere Vorteile des Konzepts bestehen darin, dass sie eine wesentlich höhere spezifische Energiedichte haben als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien. Allerdings ist dies nur unter bestimmten Bedingungen der Fall. Prof. Dr. Helmut Ehrenberg, Leiter des Instituts für Angewandte Materialien – Energiespeichersysteme, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), erklärt zudem:
„Im Gegensatz zu konventionellen Lithium-Ionen-Batterien, die einen flüssigen, brennbaren Elektrolyten verwenden, versprechen sie deshalb einen noch sichereren Betrieb. Häufig wird auch eine höhere Energiedichte genannt, die allerdings nur erreicht werden kann, wenn neben dem flüssigen Elektrolyten auch die negative Elektrode, die bei konventionellen Lithium-Ionen-Batterien fast immer aus Graphit besteht, gleichzeitig durch Lithium-Metall ersetzt wird.“
Der Begriff „Festkörperbatterie“ beschreibt unterschiedliche Batteriekonzepte
Forscher weisen auch darauf hin, dass man den Begriff Festkörperbatterie meist zu allgemein gebraucht. Dabei beschreibt er unterschiedliche Zellkonzepte. Prof. Dr. Jürgen Janek, geschäftsführender Direktor des Physikalisch-Chemischen Instituts und des Zentrums für Materialforschung, Justus-Liebig-Universität Gießen, und Koordinator des BMBF-Kompetenzclusters für Festkörperbatterien, betont:
„Unter dem Begriff ‚Festkörperbatterien‘ werden heute weltweit eine ganze Reihe verschiedener Batteriezellkonzepte zusammengefasst, sodass es nicht eine einzige Art von Festkörperbatterie gibt. […] Damit stellen Festkörperbatterien heute eine der weltweit sehr intensiv erforschten Entwicklungsrichtungen für zukünftigen Zellkonzepte dar – mit durchaus einer ganzen Reihe von verschiedenen Zellkonzepten bezüglich des inneren Aufbaus der Zellen und der verwendeten Materialien. Eine zuverlässig funktionierende Lithium-Metall-Anode wird als ein wichtiger Schritt betrachtet, der besonders die Energiedichte deutlich erhöhen könnte. […]“
Herausforderungen bei der Entwicklung von Festkörperbatterien
Das zentrale Problem bei der Entwicklung von Festkörperbatterien ist jedoch die Ermüdung der Anode und die Entstehung von sogenannten Dendriten, d.h. verzweigte Metallgebilde die zu ungewollten Kurzschlüssen führen. Bei wiederholtem Laden und Entladen von Festkörperbatterien mit Lithium-Metall-Anoden entstehen mechanische Spannungen. Diese Spannungen führen zu Mikroverformungen und Rissen in der Anode. Diese Schäden beeinträchtigen die Fähigkeit der Anode, Lithium-Ionen effizient aufzunehmen und abzugeben, was zu einer verringerten Kapazität und einer kürzeren Lebensdauer der Batterie führt. Man spricht hier von der Ermüdung der Anode.
Dendriten sind winzige, nadelartige Strukturen aus Lithiummetall, die während des Ladevorgangs an der Anodenoberfläche wachsen können. In Festkörperbatterien können diese Dendriten durch feine Risse oder entlang von Korngrenzen im Festelektrolyten wachsen. Wenn die Dendriten lang genug werden, können sie den Separator (die isolierende Schicht zwischen Anode und Kathode) durchdringen und einen Kurzschluss verursachen. Prof. Dr. Helmut Ehrenberg erläutert:
„Bisher sind Festkörperbatterien immer noch im Entwicklungsstadium, es kann deshalb im Moment noch nicht abschließend bewertet werden, ob die in Festkörperbatterien gesteckten Hoffnungen erfüllt werden oder nicht. […].“
Zukunftsaussichten der Festkörperbatterie
Ebenso ist Prof. Dr. Jürgen Janek der Meinung, dass es noch immer große Hürden zu überwinden gebe. Herausforderungen bestünden darin, gleichzeitig die Energiedichte gegenüber konventionellen Lithium-Ionen-Batterien zu steigern und die Lebensdauer bei sicherem Betrieb zu verbessern. Zudem müsse man auch das Schnellladeverhalten noch weiter optimieren. „Erst wenn diese Randbedingungen erfüllt sind, werden sich die Herausforderungen einer umfassenden Nachhaltigkeitsbetrachtung und einer kostengünstigen Produktion stellen“, so Janek. Laut seiner Einschätzung „wird dies noch einige Jahre benötigen, bis eventuell eine Markteinführung in signifikantem Maße erfolgen wird“. Dabei ist noch lange nicht entschieden, ob dies auch gelingen wird. Es ist nach wie vor eine Technologie in Entwicklung, die durchaus Verbesserungen verspricht, die aber noch nicht eingelöst sind.“
Erkenntnisse der Studie
Die beiden Experten sind sich einig, dass die Studie keine bahnbrechenden und revolutionären Erkenntnisse liefert, aber dennoch wichtig für die weitere Forschung seien. Demnach untersuche die Studie nur einen kleinen Teil der Festkörperbatterie, nämlich die metallische Anode bzw. überwiegend den Grenzbereich zum Festelektrolyten. Weiterhin hieß es, die Studie liefere bezüglich Versagensmechanismen durch permanente Abscheidung und Auflösung von Lithium-Metall auf negativer Elektrodenseite neue Erkenntnisse. Die ausgewählten grafischen Darstellungen seien sehr geeignet, um die Verhältnisse auf der negativen Elektrodenseite zu illustrieren. Ferner erlauben die Untersuchungen auch eine Korrelation zwischen mikrostrukturellen Veränderungen der Lithium-Metall-Anode und den elektrochemischen Betriebsbedingungen. Prof. Dr. Helmut Ehrenberg ergänzt:
„Die vorgelegte Studie zeigt eine sehr geeignete Methodik auf, mit der die mikrostrukturellen Veränderungen nicht nur erfasst, sondern auch quantitativ mit dem elektrochemischen Zyklieren korreliert werden können. Es muss allerdings in weiteren Untersuchungen erst noch bestätigt werden, dass sich diese Erkenntnisse auf Vollzellen mit realen positiven Elektroden übertragen lassen und dass sich auch tatsächlich Optimierungsstrategien ableiten lassen.“
Studie wird weitere Untersuchungen anregen
Weiterhin verdeutlicht Prof. Ehrenberg nochmals, dass die Studie ein solider Beitrag zum besseren Verständnis von Lithium-Metall-Anoden sei. Doch weist auch Ehrenberg darauf hin, dass die Studie keine „revolutionären Erkenntnisse, die einen Paradigmenwechsel anstoßen würden“ liefere. Vielmehr seien die meisten Ergebnisse in einer ähnlichen Form durch andere Methoden bereits in der wissenschaftlichen Literatur bekannt. Für Prof. Dr. Janek liegt der Wert der Arbeit in der Analyse des „bisher wenig untersuchten Mechanismus der Kopplung von mechanischer Verformung und elektrochemischen Eigenschaften“. Demnach ist die Arbeit nicht als sensationell zu betrachten, sondern eher ein solides wissenschaftliches Fundament mit wichtigen Ergebnissen zu den tiefgehenden Details der Lithium-Metall-Anode. Janek geht davon aus, dass sie weitere Arbeiten anregen und zum besseren Verständnis beitragen werde.
Quellen / Weiterlesen
Ermüdung von Lithium-Metall-Anoden in Festkörperbatterien | Science Media Center
Kompendium: Li-Ionen-Batterien | VDE
Metallbäume in der Batterie | Max-Planck-Gesellschaft
Bildquelle: © Xue Zhang/MPI für Polymerforschung