USA: Balkonsolar in Utah

Utah legalisiert Balkonkraftwerke (1,2 kW AC): Einfacher Anschluss, keine Gebühren. Hürden bei Hardware-Zertifizierung.

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Der US-Bundesstaat Utah hat einstimmig und parteiübergreifend grünes Licht für Balkonkraftwerke gegeben. Ein neuer Gesetzentwurf erlaubt künftig den Direktanschluss tragbarer Solarsysteme von bis zu 1,2 Kilowatt Wechselstrom (kW AC) an 120V-Steckdosen, ohne aufwendige Netzanmeldungen oder zusätzliche Gebühren der Versorgungsunternehmen. Dies schafft eine signifikante Erleichterung für Verbraucher, sofern die Systeme die strikten NEC- und UL-Zertifizierungsstandards erfüllen. Die Gesetzesinitiative, die vom Gouverneur von Utah am 25. März 2025 unterschrieben wurde, könnte die dezentrale Energieerzeugung in den USA revolutionieren. Dies folgt einem Trend, der in Ländern wie Deutschland bereits erfolgreich etabliert wurde.

Vereinfachung durch Gesetzgebung: Was bewirkt H.B. 340 S1?

Der von Utahs Staatsabgeordnetem Raymond P. Ward eingebrachte Gesetzentwurf H.B. 340 S1 ist ein Meilenstein für die private Energieerzeugung. Jener Entwurf ermöglicht es Besitzern von Solaranlagen bis 1,2 kW Wechselstrom (kW AC), direkt über herkömmliche 120V-Steckdosen an das Stromnetz angeschlossen zu werden. Der bisher notwendige Prozess der Netzanmeldung sowie die damit verbundenen bürokratischen Hürden und Gebühren entfallen somit vollständig. Dies stellt eine enorme Vereinfachung dar, die den Einstieg in die Solarenergie für viele US-Haushalte deutlich attraktiver macht. Allerdings wird strikt vorgeschrieben, dass die gesamte Hardware die hohen Zertifizierungsstandards des National Electrical Code (NEC) und der Underwriters Laboratories (UL) erfüllt.

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Die parteiübergreifende Unterstützung, die der Gesetzentwurf erhielt, ist bemerkenswert. H.B. 340 S1 wurde von Repräsentantenhaus und Senat Utahs mit großer Mehrheit verabschiedet (72:0 Stimmen im Repräsentantenhaus, 27:0 Stimmen im Senat). Dies verdeutlicht den gemeinsamen politischen Konsens und zeigt die Notwendigkeit, private Solarenergie zu fördern. Die Gesetzgebung wurde vom Gouverneur von Utah, Spencer J. Cox, am 25. März 2025 unterschrieben, und trat am 7. Mai 2025 in Kraft.

Definition und Anforderungen

Ein „tragbares Solarstromerzeugungsgerät“ wird als bewegliches Photovoltaiksystem definiert, das:

  • Eine maximale Ausgangsleistung von 1.200 Watt hat.
  • Über eine Standard-120V-Wechselstromsteckdose an das elektrische System eines Gebäudes angeschlossen wird.
  • Die Standards der neuesten Version des NEC erfüllt.
  • Von UL oder einem gleichwertigen national anerkannten Prüflabor zertifiziert ist.

Diese Systeme müssen zudem über eine Abschaltfunktion verfügen, die den Betrieb unterbricht, wenn das elektrische System des Gebäudes offline ist, ähnlich der „Anti-Islanding“-Funktion in herkömmlichen Solarwechselrichtern. Anti-Inselbildung (Anti-Islanding) ist eine Funktion, die sicherstellt, dass bei einem Netzausfall keine Rückspeisung von dezentralen Energiequellen ins öffentliche Netz erfolgt.

Gesetzgebung befreit von mehreren Anforderungen

Zudem befreit die Gesetzgebung die Besitzer von Solaranlagen von mehreren technischen Anschlussanforderungen und -vereinbarungen. Außerdem dürfen Versorgungsunternehmen keine Genehmigung vorschreiben, Gebühren erheben oder zusätzliche Steuerungen oder Geräte verlangen, die über das im System integrierte hinausgeht.

Obwohl die Vorteile der neuen Gesetzgebung offensichtlich sind, bleiben einige Herausforderungen bestehen. Insbesondere werden diese Plug-in-Systeme nicht für das Net-Metering-Programm von Utah zugelassen. Dies bedeutet, dass überschüssiger, ins Netz eingespeister Strom nicht vergütet wird, was die wirtschaftliche Attraktivität für einige Nutzer mindern könnte.

Herausforderungen und fehlende Komponenten

Ein noch größerer Knackpunkt liegt jedoch in der Verfügbarkeit der geeigneten Hardware. Wie ein an der Gesetzesentwicklung beteiligter Vertreter betonte, sind basierend auf ihren Recherchen derzeit keine Systeme auf dem Markt erhältlich, die sowohl die UL- als auch die NEC-Zertifizierungsanforderungen vollständig erfüllen. Experten wie Carl Lenox äußern auf Bluesky Bedenken hinsichtlich dieser Zertifizierungshürden. Er weist darauf hin, dass die UL-Listung für diese spezifische Anwendung weit über die Erfüllung von UL 1741 hinausgeht.

Die Komplexität ergibt sich daraus, dass das Konzept einer Stromquelle und einer Last am selben Stromkreis für den NEC ein „Non sequitur“ (logischer Widerspruch) darstellt. Folglich wird UL keine Zertifizierung erteilen, wenn die NEC-Vorgaben nicht eingehalten werden. Diese technische Lücke müssen Hersteller schließen, damit das Gesetz seine volle Wirkung entfalten kann.

Blick nach Deutschland: Vorbild für den Ausbau der Balkonkraftwerke

Derweil bietet ein Blick nach Deutschland eine interessante Perspektive auf das Potenzial von Balkonkraftwerken. Hier hat sich die Technologie in den letzten Jahren rasant entwickelt. Von nahezu null sind Hunderte von Megawatt an installierter Leistung hinzugekommen. Dies zeigt, dass eine breite Akzeptanz und Nutzung von Balkonkraftwerken durch eine geeignete Gesetzgebung und technische Entwicklungen massiv gefördert werden können.

In Deutschland werden parallel zur Marktentwicklung auch technische Innovationen vorangetrieben. Dazu gehören die Entwicklung maßgeschneiderter Batterien für die Speicherung des selbst erzeugten Stroms und flexible Montagesysteme, die eine einfache Installation ermöglichen.

Innovationen notwendig, um technische Hürden zu überwinden

Viele Städte und Bundesländer in Deutschland bieten Förderprogramme für den Kauf von Balkonkraftwerken, was die Anschaffungskosten erheblich senkt. Zugleich sind die Preise für die Balkonsolaranlagen in den letzten Jahren deutlich gefallen. Darüber hinaus werden weitere Innovationen vorangetrieben, wie beispielsweise die Nutzung von wiederaufbereiteten Solarmodulen für kleinere Anwendungen. Dies macht Balkonkraftwerke noch zugänglicher und attraktiver. Sinkende Kosten und höhere Effizienz der Solarmodule sowie die Entwicklung von Mikro-Wechselrichtern und nutzerfreundlichen Steckersystemen tragen zur technologischen Anpassung bei.

Das Beispiel Deutschland verdeutlicht somit, dass die erfolgreiche Einführung und Verbreitung von Balkonkraftwerken nicht nur von der Gesetzgebung abhängen, sondern auch von der kontinuierlichen Anpassung und Weiterentwicklung der verfügbaren Technologien und Geschäftsmodelle. Utahs Initiative ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und könnte den Weg für eine grünere Energiezukunft ebnen, sobald die technischen Hürden überwunden sind.

Quellen / Weiterlesen

Balcony solar gains unanimous bipartisan support in Utah | pv magazine
UT HB0340 | 2025 | General Session | LegiScan
Gerettete Solarmodule für die Energiewende zuhause | energiezukunft
Naturstrom bietet Balkonkraftwerke aus Secondhand-Solarmodulen an | Solarserver
Balkonkraftwerk: Wann lohnt es sich – und was ist mit einem Speicher? | Ingenieur
Bildquelle: CCNullTim Reckmann

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Stephan Hiller
Stephan Hiller ist Betriebswirt (Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin und in Cambridge, UK) mit umfangreicher Geschäftsführungs- und Start-Up Erfahrung. Er hat sich erfolgreich darauf spezialisiert, den Finanzbereich und das Controlling junger Unternehmen operativ zu betreuen und Start-Ups strategisch sowie in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Finanzen zu beraten. Er verfügt über umfassende kaufmännische Erfahrungen, die er durch mehrjährige Berufstätigkeit für internationale Unternehmen im In- und Ausland aufgebaut hat. Hierunter waren u.a. Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Automobilindustrie, Solarmodulhersteller und Projektentwickler aus dem Bereich erneuerbare Energien. Weiterhin hat er mehrere Unternehmensgründungen im Bereich erneuerbare Energien initiiert und erfolgreich mit aufgebaut. Stephan hat zusammen mit Ajaz Shah energyload.eu im Oktober 2013 gegründet.

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