Nach einer limitierten Produktion von einigen hundert Exemplaren hat NIO die Serienfertigung seiner 150-kWh-Batterie eingestellt. Der Feststoffakku, der technisch als Halbfestkörper-Batterie (Semi-Solid-State Battery, SSB) mit gelartigem Elektrolyten klassifiziert ist, ermöglichte Reichweiten von über 1.000 Kilometern. Firmenchef William Li nennt als Hauptgründe für den Stopp die geringe Kundennachfrage und die hohen Produktionskosten. Zudem favorisieren in China rund 97% der Nutzer und Nutzerinnen kleinere 75-kWh-Varianten. Grund hierfür ist die dichte Infrastruktur an Batterietausch-Stationen, den sogenannten NIO Power Swap Stations. Darüber hinaus sind für den europäischen Markt kostspielige Zusatzzertifizierungen nötig, was die Produktion weniger lukrativ macht, sodass NIO die Batterie vorerst nicht einführen wolle.
Die Technologie der Semi-Solid-State-Batterien im Detail
Im Jahr 2021 kündigte NIO seine Festkörperbatterie mit 150 kWh an und erprobte diese im NIO ET7 im Jahr 2023 bei einer 1000-km-Challenge. Drei Jahre im April 2024 nach der ersten Ankündigung begann NIO mit der Serienproduktion der Halbfestkörperbatterien. Jedoch stellte das chinesische Unternehmen nun nach nur wenigen hundert Exemplaren die Herstellung ein.
Technisch wird der 150-kWh-Akku als Halbfestkörper-Batterie (Semi-Solid-State Battery) klassifiziert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus nutzt diese in Zusammenarbeit mit dem Partner WeLion entwickelte Technologie einen halbfesten, gelartigen Polymer-Elektrolyten. Dieser dient als Brückentechnologie zur reinen Feststoffbatterie und ermöglicht eine hohe Energiedichte. Ein technologisches Highlight ist dabei vor allem der Gewichtsvorteil. Trotz der 50% höheren Kapazität gegenüber dem 100-kWh-Akku wiegt das 150-kWh-Pack mit circa 575 kg nur etwa 20 kg mehr. Da der Akku physikalisch identisch mit den kleineren Packs ist, bleibt er voll kompatibel mit NIOs Batterietausch-System.
1.044 Kilometer im Praxistest als Beweis der Machbarkeit?
Als die Leistungsfähigkeit der WeLion-Zellen im Dezember 2023 bei einer 14-stündigen öffentlichen Probefahrt von NIO-Chef William Li getestet wurde, legte er mit der ET7-Limousine eine Strecke von 1.044 km zurück. Der offizielle chinesische Standard (CLTC) gibt die Reichweite sogar mit 1.055 Kilometern an. Obschon der Akku technisch einwandfrei funktionierte, diente er dem Unternehmen primär als strategisches Marketinginstrument, um die technologische Überlegenheit der Plattform zu beweisen. William Li ergänzte zudem, dass der Akku gut für das Marketing gewesen sei, aber die Kundschaft ihn nur selten nutzte.
„Es stimmt, dass der Akku eine sehr große Reichweite bietet, da er eine sehr hohe Energiedichte besitzt, aber er ist auch etwas teurer als durchschnittliche Akkus.“
Kosten vs. Infrastruktur oder warum das Projekt scheiterte
Trotz der technischen Überlegenheit scheiterte der Akku an der wirtschaftlichen Realität, denn in der Miete ist die 150-kWh-Variante für die Endkundschaft schlichtweg zu teuer. „Abgesehen davon, dass der 150-kWh-Akku in der Abonnementgebühr ziemlich teuer ist, glauben wir, dass er weder aus geschäftlicher Sicht noch aus Sicht des Anwendungsfalls oder der Benutzererfahrung Sinn macht“, so Li. Als Grund für die mangelnde Nachfrage nennt Li die gute Batterietausch-Infrastruktur in China. Li erklärt außerdem:
„Vor Jahren, als es noch nicht so viele Batteriewechselstationen gab, lag das Nutzungsverhältnis zwischen 75-kWh- und 100-kWh-Batterien bei 50/50. Doch jetzt, da wir in China über 3.500 Wechselstationen haben, bevorzugen tatsächlich 97% der Nutzer die 75-kWh-Variante gegenüber der 100-kWh-Variante.“
Doch nicht nur das gute flächendeckende Angebot an Power Swap Stations (PSS) nennt Li als Ursache für die geringe Nachfrage. Ebenso sei die Zahl der Leute, die 1.000 km nonstop fahren wollen, sehr begrenzt, da das Reiseverhalten in China anders sei. Das E-Auto konkurriere hier auf Langstrecken ab 300 km oft mit dem hocheffizienten Hochgeschwindigkeitszugnetz.
Fokus auf Skalierung statt Nische
Als Konsequenz der Analyse wird NIO den europäischen Markt nicht mit diesen Batterien bedienen. Der Verzicht begründet sich auch durch den hohen Aufwand für erforderliche Zusatztests und Zertifizierungen. NIO möchte das Kapital lieber in den Aufbau zusätzlicher Tauschstationen investieren. Das Projekt zeigt, dass die Verfügbarkeit schneller Tauschvorgänge und eine solide Infrastruktur wichtiger sind als die Reichweitenerhöhung durch teure Nischenprodukte.
Quellen / Weiterlesen
Über 1.000 km Reichweite: Autobauer gibt vermeintlichen Wunder-Akku auf | CHIP
Nio gibt seine 150-kWh-Festkörperbatterie auf | FOCUS
Bildquelle: © Nio

