Die Automobilindustrie erlebt derzeit einen Wettlauf um die effizienteste Software- und Sensorarchitektur für autonomes Fahren. Während Tesla konsequent auf einen kamerabasierten Ansatz („Vision Only“) setzt, verfolgt der US-Hersteller Rivian mit der Integration der Lidar-Technik und einem proprietären Hochleistungsprozessor eine Strategie der Sensor-Fusion. Unterstützt durch eine Kooperation mit Volkswagen, die zudem ein Investitionsvolumen von bis zu 5,8 Milliarden Dollar umfasst, werden diese Technologien sowohl im kommenden Rivian R2 als auch in künftigen VW-Modellen zum Einsatz kommen. Parallel dazu intensivieren die Partner über die Tochtergesellschaft Moia die Entwicklung skalierbarer Flottenlösungen für den gewerblichen Personentransport.
Rivians Lidar-Technik gegen Teslas Vision-Only-Konzept
Während Tesla weiterhin exklusiv auf Kameras („Vision Only“) vertraut, schlägt Rivian beim neuen Modell R2 einen anderen Weg ein. Das US-Startup integriert für das autonome Fahren ab 2026 einen Laser-Radar (Lidar) direkt in die Frontscheibe, ergänzt durch elf Kameras und fünf Radar-Sensoren. Diese zusätzliche Hardware soll die Schwächen von Kameras bei Nebel oder extremen Lichtverhältnissen ausgleichen. Das Herzstück der Entwicklung ist der hauseigene Spezial-Chip RAP1 (Rivian Autonomy Processor). Dabei ist der Chip darauf optimiert, enorme Datenmengen der Sensoren in Echtzeit zu verarbeiten, um Level-4-Autonomie zu ermöglichen.
Ferner geht Rivian auch preislich in die Offensive, denn das System soll für einmalig 2.500 US-Dollar oder 50 US-Dollar im Monatsabo erhältlich sein. Damit setzt Rivian Tesla massiv unter Druck, da der Marktführer den Preis für sein „Full Self-Driving“ (FSD) nach Kritik bereits von 15.000 US-Dollar auf aktuell 8.000 US-Dollar senken musste. Kritiker bezweifeln jedoch, dass Teslas aktuelle Hardware jemals echtes autonomes Fahren ohne Aufsicht erreichen wird. Zusätzlich bietet Rivian in seinen Fahrzeugen auch einen eigens entwickelten KI-Sprachassistenten an.
Kostenoptimierung durch Zonen-Architektur
Volkswagen investiert bis zu 5,8 Milliarden Dollar in das Joint Venture mit Rivian, um den eigenen Software-Rückstand aufzuholen. Demzufolge stellt die Kooperation einen wichtigen Rettungsanker dar, durch den sich der deutsche Automobilgigant den Zugriff auf Rivians moderne Elektronikarchitektur sichert. Dabei ist die sogenannte Zonen-Architektur ein wesentlicher Vorteil. Anstatt die Fahrzeugfunktionen auf dutzende spezialisierte Steuergeräte zu verteilen, bündelt das System die Rechenleistung in wenigen Zentralrechnern. Die Steuerung erfolgt dabei räumlich nach Zonen – ein Computer verwaltet also alle Funktionen in seinem physischen Bereich (z. B. Front, Heck oder Türen). Dies reduziert erheblich die Systemkomplexität und den Verkabelungsaufwand, wodurch auch die Produktionskosten und das Gewicht gesenkt werden kann.
Das erste Modell mit dieser Technik soll der VW ID.1 sein ‒ ein elektrischer Kleinwagen (Nachfolger des e-Up), der 2027 für etwa 20.000 Euro erscheinen soll. Dank der Rivian-Architektur verspricht VW ein Bordsystem, das ein ganzes Autoleben lang „Over-the-Air“-Updates erhält. Dies ist ein Seitenhieb für ältere Tesla-Modelle, deren Hardware heute bereits als zu schwach für neue Funktionen gilt.
Robotaxis: Die Expansion der VW-Tochter Moia in den US-Markt
Darüber hinaus profitieren nicht nur Privatkunden von der Kooperation von Rivian und VW, sondern auch die gewerblichen Robotaxi-Anbieter. Folglich nutzt die VW-Tochter Moia eine Kombination aus Lidar-Technik und Kameras bereits heute in europäischen Testflotten (z. B. in Hamburg) mit dem autonomen ID.Buzz. Für 2026 plant VW den nächsten großen Schritt und möchte zusammen mit Uber autonome Robotaxis auf die Straße bringen, um Fahrgäste zu befördern. Der erste Einsatzort soll Los Angeles in den USA sein.
Damit tritt VW in direkten Konkurrenzkampf mit Teslas „Cybercab“-Plänen und Google-Schwester Waymo. Während Rivian den Privatkäufer im Blick hat, adressiert Moia gezielt Städte und Verkehrsbetriebe. Hier zeigt sich ein deutlicher Strategievorteil gegenüber reinen Tech-Startups. VW kann als etablierter Hersteller rasch große Flotten autonomer Fahrzeuge selbst produzieren und als „Gesamtpaket“ aus Hardware und Fahrdienstleistung anbieten.
Quellen / Weiterlesen
Tesla-Rivale Rivian setzt auf Lidar für autonomes Fahren | heise online
Teslas Vorsprung wackelt: Ein Konkurrent zieht überraschend nach | Wallstreet Online
Bildquelle: © Rivian

