Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) entdeckte eine Schwachstelle in der Entwicklung zukunftsweisender Lithium-Metall-Batterien. Diese Batterien versprechen eine höhere Energiedichte, können jedoch durch das unkontrollierte Wachstum von Dendriten (Lithium-Nadeln) gefährliche Kurzschlüsse auslösen. Bislang galten feste, polymerbasierte Elektrolyte als zuverlässiger Schutz. Allerdings wiesen TUM-Forschende nun mithilfe hochpräziser Röntgenstreuexperimente nach, dass Dendriten auch direkt innerhalb dieser schützenden Polymerschicht wachsen können. Diese bahnbrechende Erkenntnis stellt eine zentrale Annahme der Batterieforschung infrage und ist entscheidend für die Entwicklung sicherer, langlebiger und kommerziell nutzbarer Energiespeicher der nächsten Generation.
Dendriten zerstören Lithiumbatterien
Lithium-Metall-Batterien gelten als Hoffnungsträger der Energiespeicherung, da sie bei geringem Gewicht mehr Energiedichte bieten. Doch der Enthusiasmus für die Technologie wird durch die Entwicklung von sogenannten Lithium-Dendriten gehemmt. Hierbei handelt es sich um kleine, nadelartige Metallstrukturen, die im Inneren der Batterie unkontrolliert wachsen und Kurzschlüsse verursachen. Durch die Zerstörung der Lithiumbatterie kann sie schlimmstenfalls brennen oder explodieren. Bisher dachte man, dass die Nutzung fester Elektrolyten, zu denen auch polymerbasierte Elektrolyte zählen, das Wachstum der Dendriten verhindern.
Neue Erkenntnis: Gefahr entsteht in der polymerbasierten Schutzschicht
Jedoch entdeckte ein Forscherteam der Technischen Universität München (TUM) nun, dass sich diese Strukturen nicht nur an Elektroden, sondern auch in polymerbasierten Elektrolyten bilden. Die Entdeckung der TUM-Wissenschaftler widerlegt somit die bisherige Annahme, dass das Risiko der Dendritenbildung primär auf die Grenzfläche zwischen Elektrode und Elektrolyt begrenzt sei. Die im Rahmen der Forschung gewonnenen Daten belegen, dass die Lithium-Metallstrukturen zur Kristallisation innerhalb des polymerbasierten Elektrolyten selbst neigen, also mitten im Material, das eigentlich die Aufgabe hat, einen Kurzschluss zu verhindern.
Der Physiker Fabian Apfelbeck (Erstautor der Studie und Doktorand im Arbeitskreis von Prof. Müller-Buschbaum) erklärt, dass Elektrolyte den Lithium-Ionen-Transport gewährleisten und mehr Sicherheit bieten als flüssige Elektrolyte. Dennoch stellt das unkontrollierte Wachstum der Dendriten eine unerwartete und kritische Herausforderung dar. Demzufolge ist das Problem komplexer als zunächst angenommen und betrifft die strukturelle Integrität der gesamten Schutzschicht.
Hochauflösende Beobachtung der Polymerschicht
Um diese mikrostrukturellen Veränderungen während des Betriebs sichtbar zu machen, nutzten die TUM-Forschenden spezifische Analysemethoden, die sogenannten Nanofokus-Weitwinkel-Röntgenstreuexperimente. Diese Versuche führte man unter realen Betriebsbedingungen (operando) am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg durch. Mithilfe eines auf nur 350 Nanometer fokussierten Röntgenstrahls gelang es dem Forschungsteam erstmals, die Entstehung und das Wachstum der Lithiumkristallisationen im Volumen des Polymer-Elektrolyten direkt zu beobachten. Diese Einblicke waren nur durch eine eigens entwickelte Miniaturzelle möglich, die eine detaillierte Analyse im Betriebszustand ermöglichte. Prof. Peter Müller-Buschbaum betont zudem:
„Bislang galt: Dendritenwachstum findet nur an der Grenzfläche zwischen Elektrode und Elektrolyt statt. Dass es auch weit davon entfernt auftritt, hat uns überrascht. Dieses neue Wissen hilft uns dabei, Materialien zu entwickeln und auch weiterzuentwickeln, in denen solche internen Kristallisationsprozesse gar nicht erst auftreten – für effizientere, sichere und langlebige Energiespeicher.“
Konsequenzen für künftige Feststoff-Elektrolyte
Die Forschungsergebnisse haben unmittelbare Auswirkungen auf die künftige Materialentwicklung im Bereich der Energiespeicherung. Bislang konzentrierte man sich primär darauf, die Dendriten durch mechanische Härte der festen Elektrolyte am Durchdringen zu hindern.
Die Erkenntnisse helfen bei der Entwicklung physisch stabiler Materialien, die zugleich interne Kristallisationsprozesse des Lithiums chemisch und physikalisch unterdrücken können. Dies ist der Schlüssel zur Herstellung von effizienteren, sicheren und vor allem langlebigen Energiespeichern. Die Erkenntnisse, die im Rahmen des Exzellenzclusters e-conversion gewonnen wurden, ebnen den Weg für eine gezielte Suche nach alternativen, hochstabilen Elektrolyt-Materialien als Basis für sichere Lithium-Metall-Batterien der nächsten Generation.
Quellen / Weiterlesen
Apfelbeck, F. A. C., Wittmann, G. E., Le Dû, M. P., Cheng, L., Liang, Y., Yan, Y., Davydok, A., Krywka, C., & Müller-Buschbaum, P. (2025). Local crystallization inside the polymer electrolyte for lithium metal batteries observed by operando nanofocus WAXS | Nature
Bildquelle: © Vera Hiendl / e-conversio

