In den letzten zwölf Monaten haben mindestens 10 hochrangige Führungskräfte den US-Autohersteller verlassen, wodurch die Führungsebene noch mehr ins Wanken gerät. Bereits die Verkaufszahlen zeigen, dass Tesla sich in einem Abwärtstrend befindet, der die Zukunft des Konzerns in Gefahr bringt. Ebenso bröckelt die goldene Fassade hinsichtlich der Führungsebene, denn hier herrscht seit geraumer Zeit eine hohe Fluktuationsrate. Betroffen sind nahezu alle zentralen Geschäftsbereiche – von der Produktion über den Vertrieb bis zu Musks ambitionierten KI-Projekten. Erst kürzlich verabschiedete sich Piero Landolfi, der rund 9 Jahre Director of Services für Nordamerika war. Er gab bekannt, dass er sich nach einem „neuen und anderen Abenteuer“ sehne und wechselte daher zu Nimble, einem in San Francisco ansässigen Unternehmen für KI-Robotik.
Hochrangige Führungskräfte verlassen Tesla wegen besseren Perspektiven
Die Verabschiedung von Landolfi ist allerdings kein Einzelfall, sondern reiht sich in eine Vielzahl von Kündigungen auf der Führungsebene ein. Denn immer mehr Führungstalente sehen ihr Potenzial an anderer Stelle besser aufgehoben und möchte aufgrund eines Perspektivenwechsels und besseren Optionen auf dem Arbeitsmarkt Tesla verlassen. Dabei zeigt sich ein Trend, dass viele Führungskräfte von der E-Auto-Branche zu innovativen Unternehmen in den Bereichen KI und Robotik wechseln. Unter den Talenten befinden sich zahlreiche Führungskräfte, die für Teslas Erfolg und technologische Entwicklung zuständig waren. Hierzu zählen Troy Jones, der Vizepräsident für Vertrieb und Service in Nordamerika, sowie die HR-Direktorin Jenna Ferrua. Ein weiterer Verlust ist für Tesla der Weggang von Pete Bannon, dem Vizepräsidenten für Hardware-Entwicklung, denn er war für die Entwicklung der Tesla-eigenen Chips und des Supercomputers „Dojo“ verantwortlich.
Strategieänderung: Ablösung von Dojo hin zu AI6
Der Abschied von Hardware-Chef Bannon fand zu dem Zeitpunkt statt, als es zu einer strategisch bedeutenden Kehrtwende bei Tesla kam. Demnach hatte Elon Musk das Prestigeprojekt Dojo stark zurückgefahren oder sogar eingestellt. Mit Dojo plante Tesla eine eigene Supercomputer-Infrastruktur zu bauen, um die neuronalen Netze für das autonome Fahren (Full Self-Driving) und den humanoiden Roboter Optimus zu trainieren. Dadurch wollte man die Abhängigkeit von Chip-Herstellern wie Nvidia vermeiden. Doch Musk erklärt, dass er Dojo abschalten musste und schwierige Personalentscheidungen traf, als klar wurde, dass alle Wege zu AI6 konvergierten. Demzufolge wurde Dojo zu einer evolutionären Sackgasse. Bei AI6 handelt es sich um die sechste Generation von Teslas KI-Architektur. Folglich fand ein Kurswechsel statt: Weg von der Entwicklung des eigenen Supercomputers hin zur Nutzung von tausenden handelsüblichen, leistungsstarken Grafikprozessoren (GPUs) von Marktführern wie Nvidia.
Parallelen zu Apples Autoprojekt sind erkennbar
Die Entscheidung Dojo abzuschalten und sich auf AI6 zu konzentrieren, machte jahrelange Entwicklungsarbeit hinfällig. Deswegen könnten beteiligte Ingenieur:innen und Manager:innen sich entschieden haben, Tesla zu verlassen und sich neu zu orientieren. Hierbei sind Parallelen zu Apples Autoprojekt erkennbar, denn hier war eine ähnliche Situation zu beobachten. Apples Autoprojekt, bekannt als Project Titan, war ein jahrelanges und sehr ambitioniertes Vorhaben, ein eigenes Elektrofahrzeug zu entwickeln. Im Februar 2024 stellte Apple das Projekt jedoch unerwartet ein.
Die Entscheidung bedeutete, dass jahrelange Arbeit und Investitionen von Tausenden von Ingenieuren und Designern über Nacht hinfällig wurden. Viele der Mitarbeiter wurden entlassen oder in andere Abteilungen, insbesondere in den Bereich der künstlichen Intelligenz, versetzt. Ähnlich wie bei Tesla mit dem „Dojo“-Projekt führte die Einstellung eines großen, prestigeträchtigen Projekts dazu, dass Talente abwanderten, da ihre Expertise und die Früchte ihrer Arbeit nicht mehr benötigt wurden.
Ist Tesla noch ein attraktiver Arbeitgeber?
Prinzipiell ist es für jedes Unternehmen ein schlechtes Signal, das 10 Führungskräfte das Unternehmen verlassen. Die Folgen sind meist interne Unruhen, Umstrukturierungen und der Verlust von wertvollem Wissen. Lange Zeit war Tesla für die besten Talente der Tech-Branche ein attraktiver Arbeitgeber, doch diese Anziehungskraft scheint nun versiegt zu sein. Die Gründe können vielseitig sein. Neben einem wirtschaftlichen Druck durch einen zunehmend umkämpften E-Auto-Markt und stagnierten Verkaufszahlen spielen auch interne Faktoren eine entscheidende Rolle. Nicht zuletzt sorgte Elon Musks politisches Engagement und polarisierenden Verhaltensweisen für eine Entfremdung der Kundschaft und Belegschaft.
Demnach könnte Tesla vor mehreren Herausforderungen gleichzeitig stehen: Kritik an Elon Musk, die unzureichende Modellpalette, ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis, Strategiewechsel, Rückrufaktionen und ein zunehmend stärker umkämpfter Sektor. Das Verkaufen seiner Fahrzeuge scheint nicht mehr das größte Problem für Tesla zu sein. Vielmehr geht es darum, die eigenen Top-Talente von der Tesla-Vision zu überzeugen, damit sie an Bord bleiben.
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Bildquelle: CCNull – Marco Verch