Die Elektromobilität sorgt bundesweit weiterhin für geteilte Meinungen und Vorbehalte. Deutschland fiel im aktuellen EV-Index von SBD-Automotive und HERE-Technologies auf Platz 6 zurück. Jedoch zeigt die begleitende Umfrage, dass die Bereitschaft zum Umstieg auf E-Fahrzeuge hierzulande im internationalen Vergleich am höchsten ist. Trotz der öffentlichen Wahrnehmung einer begrenzten Verfügbarkeit von Ladepunkten belegen offizielle Zahlen einen robusten Ausbau der Ladeinfrastruktur. Demzufolge stieg die Anzahl der Ladepunkte um 16 Prozent und die gesamte Ladeleistung um 29 Prozent. Ebenso sei die verbreitete Skepsis bezüglich der Reichweite weitgehend unbegründet, da aktuelle Modelle die Erwartungen vieler Deutscher erfüllen. Um das volle Potenzial der E-Mobilität auszuschöpfen, bleibt die Aufklärungsarbeit über Fakten und Vorurteile die größte Herausforderung für den Wandel.
Stimmungsbild: Zwischen Skepsis und hohem Umstiegswillen
Die Debatte um die Elektromobilität polarisiert die traditionelle Autonation Deutschland wie kaum ein anderes Zukunftsthema. Die Meinungen sind gespalten und reichen von überzeugten Befürworter:innen, die dem Verbrenner endgültig den Rücken kehren wollen, bis hin zu zahlreichen Verbraucher:innen, die noch erhebliche Vorbehalte hegen. Demzufolge fordert ein Teil der Bevölkerung und einige Hersteller ein schnelles Ende des Verbrenners, doch viele Konsumenten äußern noch immer Vorbehalte. Diese sind meist gestützt durch gemischte Signale aus der Industrie. Dieses heterogene Stimmungsbild ist derzeit zwar typisch für den deutschen Markt, doch die Grundlagen für einen erfolgreichen Wandel sind vorhanden. Das zeigt vor allem der aktuelle EV-Index, den das Analystenhaus SBD-Automotive gemeinsam mit HERE-Technologies veröffentlicht.
EV-Index: Deutschlands Potenzial im europäischen Vergleich
Der EV-Index bewertet die E-Mobilitätsfortschritte von 30 europäischen Nationen anhand von vier entscheidenden Kriterien:
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- die Dichte des Ladenetzes,
- die durchschnittliche Ladeleistung,
- der Anteil der E-Fahrzeuge am Gesamtbestand und
- das Verhältnis der Ladepunkte zu den zugelassenen Elektrofahrzeugen.
Im Gesamtranking musste Deutschland zwar einen leichten Rückschlag hinnehmen und fiel von Platz fünf auf den sechsten Rang zurück (hinter Spitzenreiter Norwegen, Luxemburg, Dänemark und den Niederlanden). Dennoch unterstreicht eine begleitende Umfrage die hohe Umstiegsbereitschaft der deutschen Autofahrer:innen. Im internationalen Vergleich – zu Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien – sticht Deutschland mit dem höchsten Anteil an Befragten hervor (25 Prozent), die angeben, ihr nächstes Fahrzeug höchstwahrscheinlich elektrisch zu wählen. Das Wachstumspotenzial zeigt damit einen markanten Aufwärtstrend.
Der Ausbau der Ladeinfrastruktur zeigt eine solide Basis
Die Einführung neuer Technologien verläuft selten explosionsartig, denn auch die Elektrifizierung des Fahrzeugbestands schreitet nur langsam voran. Seit der letzten Erhebung des SBD-HERE-Index wurde lediglich etwa jedes 170. Bestandsfahrzeug durch ein Elektroauto ersetzt. Während die öffentliche Wahrnehmung die begrenzte Verfügbarkeit von Ladestationen als größtes Hindernis ansieht – fast die Hälfte der deutschen Befragten (49 Prozent) äußert diese Sorge –, zeichnet die Realität ein ganz anderes Bild. Der Index selbst sowie offizielle Stellen belegen, dass Deutschland einen robusten und kontinuierlichen Ausbau seiner Ladeinfrastruktur vorweisen kann.
Das Ladenetz in Zahlen ‒ regionaler Ausbau und Schnellladebedarf
Die aktuellen Daten der Bundesagentur untermauern diesen positiven Trend. Laut Ladesäulenregister waren am 1. Oktober 2025 genau 179.938 Ladepunkte in Deutschland in Betrieb. Dies entspricht einem deutlichen Zuwachs von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 155.584. Die Gesamtleistung des Netzes verbesserte sich signifikant um 29 Prozent und stieg von 5,69 GW auf 7,33 GW.
Ein genauer Blick zeigt jedoch den weiterhin bestehenden Nachholbedarf, denn von den 179.938 Ladepunkten sind lediglich 44.247 Schnellladepunkte (Vorjahr: 32.945). Nichtsdestotrotz verzeichnet die Zahl der Schnellladepunkte einen starken Zuwachs von 34 Prozent. Regional liegen die bevölkerungsreichsten Bundesländer ganz vorne. Hierbei führt das Bundesland Nordrhein-Westfalen die Statistik mit 35.286 Ladepunkten an (19% Zuwachs) und ist dicht gefolgt von Bayern mit 34.928 Ladepunkten (14% Zuwachs). Ergänzt wird das öffentliche Netz durch eine wachsende Zahl privater Wallboxen, was die Dichte des Ladeangebots zusätzlich erhöht.

Reichweitenangst und was E-Mobilisten erwarten
Neben dem Ladenetz wird auch die Fahrzeugtechnologie selbst kritisch beäugt, denn 50 Prozent der Deutschen halten die Reichweite von E-Autos für zu gering. Zudem monieren 37 Prozent den hohen Anschaffungspreis. Laut der Umfrage erwarten deutsche E-Mobilisten eine Reichweite von durchschnittlich 466 Kilometern. Zahlreiche Tests, unter anderem vom ADAC, zeigen jedoch, dass viele aktuelle Modelle diese Erwartung quer durch alle Fahrzeugsegmente hinweg erfüllen oder sogar übertreffen – mit Spitzenwerten von bis zu 610 Kilometern. Folglich ist die Skepsis bezüglich der Kilometerleistung ebenfalls in vielen Fällen unbegründet. Um der sogenannten Reichweitenangst entgegenzuwirken, bieten Hersteller mittlerweile intelligente Navigationslösungen an, die reichweitenoptimierte Routen planen, Ladesäulen ideal einbinden und sogar das individuelle Fahrverhalten zur Optimierung der Restreichweite berücksichtigen können.
Aufklärung als Motor der E-Mobilität
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Elektromobilität in Deutschland weiterhin durch Befangenheiten, Irrtümer und Unkenntnis ausgebremst wird. Jedoch verbessern sich ‒ unabhängig von dieser Wahrnehmung ‒ die relevanten Kennzahlen wie Ladeinfrastruktur, Reichweite, Preise und Zulassungszahlen kontinuierlich. Insbesondere in den Bereichen der Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership) und der Nachhaltigkeit hat das E-Fahrzeug den Verbrennungsmotor bereits überholt. Die entscheidende Herausforderung für die Beschleunigung des Wandels liegt demnach nicht primär in der Technologie oder im Netzausbau, sondern in der konsequenten Aufklärungsarbeit, um die vorhandene unbegründete Skepsis abzubauen.
Fazit: Fundament ist gelegt – Aufklärung ist notwendig
Trotz des robusten Infrastrukturausbaus und der Tatsache, dass E-Fahrzeuge die Erwartungen an die Reichweite meist erfüllen, bleibt die Skepsis in Deutschland hartnäckig bestehen. Der aktuelle EV-Index bestätigt dabei das Stimmungsbild. Folglich trifft ein hohes Umstiegspotenzial auf tief verwurzelte Vorbehalte, wobei die Diskrepanz zwischen Fakten (Zuwachs an Ladepunkten und Leistung) und öffentlicher Wahrnehmung die eigentliche Wachstumsbremse ist. Mit Blick auf die günstigeren Gesamtbetriebskosten und die ökologischen Vorteile der E-Mobilität gegenüber Verbrennern ist klar, dass der Wandel im Gange ist. Kurzum: Die größte Investition für einen beschleunigten Erfolg ist nicht mehr ausschließlich die Technologie, sondern die Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung.
Quellen / Weiterlesen
Elektromobilität ‒ Öffentliche Ladeinfrastruktur | Bundesagentur
Bildquelle: CCNull – Marco Verch

