Virtuelle Kraftwerke sind eine wichtige Stütze für die Energiewende der Zukunft. In Deutschland spielen virtuelle Kraftwerke schon eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung der Stromnetze. Die Leipziger Energy2Market GmbH hat jetzt das erste virtuelle Kraftwerk in Polen in Zusammenarbeit mit einem polnischen Energieversorgungsunternehmen und der Deutschen Energie-Agentur geschaffen und im Rahmen einer Veranstaltung in Grzmiaca in der polnischen Provinz Westpommern vorgestellt.
Das erste virtuelle Kraftwerk in Polen steuert Energieerzeugungsanlagen mit rund 60 Megawatt installierter Leistung, darunter viele Wasserkraftanlagen und ermöglicht den Betreibern der Anlage den produzierten Strom am polnischen Strommarkt zu handeln. Energy2Market expandiert damit in ein weiteres europäisches Land nachdem es bereits Aktivitäten in Skandinavien, Italien und Österreich übernommen hat.
Bei der Eröffnung waren neben dem Gemeinderatsvorstand des Ortes auch Herr Akadiusz Witowski als Betreiber einer der integrierten Biogasanlagen, Frau Monika Lenar als Vertreterin von Energy2Market in Polen, Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der DENA, sowie weitere interessierte Betreiber von Biogasanlagen in Polen anwesend.
Energy2Market ist ein Stromhandelshaus aus Leipzig, dass in Deutschland ein virtuelles Kraftwerk betreibt, in dem über 3.500 Anlagen integriert sind. Im Jahr 2015 hat das Unternehmen Strom mit einem Handelsvolumen von rund 300 Mio. € an der Leipziger Strombörse gehandelt.
Was ist ein virtuelles Kraftwerk?
Unter einem virtuellen Kraftwerk versteht man den Verbund von mehreren Energieerzeugungsanlagen die per IT-Plattform zentral gesteuert werden können. Dieser Zusammenschluss ermöglicht dem Betreiber ein effizientes Management der produzierten Strommengen. Weiterhin werden Systemdienstleistungen für das Stromnetz bereitgestellt, z.B. die Erbringung von Regelleistung und Leistungen im Bereich Laststeuerung.
Virtuelle Kraftwerke ermöglichen es also flexibel auf Gegebenheiten im Stromnetz zu reagieren. Diese Reaktionen werden zentral von einer Software gesteuert.
Warum benötigt man virtuelle Kraftwerke?
Um die Bedeutung von virtuellen Kraftwerken zu verstehen, muss man verstehen, dass die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieanlagen nicht genau zu prognostizieren ist. Man kann nicht vorhersagen, wieviel Kilowattstunden eine Windanlage oder eine PV-Anlage kurzfristig produzieren wird. Dies stellt das Stromnetz vor eine enorme Herausforderung, weil die Stromerzeugung insgesamt viel stärker schwankt als es früher nur mit konventionellen Kraftwerken war. Im Rahmen des EEG-Gesetzes hat Strom aus erneuerbarer Energie, der per Einspeisevergütung verkauft wird, einen Einspeisevorrang. Dies bedeutet, dass dieser Strom das Recht hat vor Strom aus Kohlekraftwerken ins Netz eingespeist zu werden. Um die Netzstabilität nicht zu gefährden müssen konventionelle Kraftwerke wie Kohle Atom- und Gaskraftwerke in Ihre Leistung zeitweise herunterfahren, wenn zu einem Zeitpunkt besonders viel Strom aus Wind und Sonne produziert wird. Diese Flexibilität ist von Kohlekraftwerken und Atomkraftwerken nur mit hohen Kosten zu bewerkstelligen. Gaskraftwerke sind hierfür schon besser geeignet.
Die Motivation von Anlagenbetreiben für den großflächige Ausbau von Erneuerbarer Energie in Deutschland lag zu Beginn des Jahrtausends in erster Linie in den attraktive Vergütungssätze durch die Einspeisevergütung. Diese Betreiber mussten sich keine Gedanken über die Stabilität des Stromnetzes machen, so dass es zu einem gewissen „Wildwuchs“ kam. Im Rahmen der EEG-Novelle 2009 wurde daher die Direktvermarktung eingeführt. Diese verpflichtet die Betreiber dazu, einen gewissen Anteil des produzierten Stroms direkt am Markt zu verkaufen.
Direktvermarktung: Wie kann man seinen Strom am Markt verkaufen?
Für alle erneuerbaren Energieanlagen mit einer Leistung oberhalb von 100 kW gibt es in Deutschland seit dem 01.01.2016 die Pflicht, Strom direkt zu vermarkten. Um Strom direkt zu vermarkten stehen Anlagenbetreibern in Deutschland zwei Wege zur Verfügung.
Betreiber, die sich für das Marktprämienmodell entscheiden, erhalten einen Ausgleich, wenn der Strom zu einem niedrigeren Preis verkauft wird als er nach der Einspeisevergütung Wert wäre. Dies geschieht immer auf Basis des durchschnittlichen Monatspreises. Dies ist sowohl Chance als auch Risiko. Wenn der Preis an der Börse höher ist als die Einspeisevergütung, dann gibt es weniger Geld als eigentlich möglich. Mit dem Marktprämienmodell sollte ein Anreiz zur Direktvermarktung geschaffen und Anlagenbetreiber für das Thema sensibilisiert werden.
Die andere Möglichkeit ist es, den Strom direkt an der Börse zu verkaufen. In der Praxis muss man hierfür aber über eine Börsenzulassung verfügen, so dass der Handel über einen Mittelsmann getätigt werden muss. Hierzu gibt es eine Reihe von Direktvermarktern in Deutschland, die sich auf dieses Geschäfts spezialistert haben. Der Mechanismus der Direktvermarktung von erneuerbarer Energie hat zu einer spürbaren Entlastung des Systemes geführt. Mehr hierzu finden Sie in unserem Artikel „Kann man selbstproduzierten Strom an der Strombörse verkaufen?„
Fördersystem für Erneuerbare Energien in Polen
In Polen gibt es seit Anfang des Jahres 2016 ein Gesetz zur Förderung erneuerbare Energien. Das bisherige Fördersystem basierte auf dem Handel mit so genannten „Grünen Zertifikaten“. Mit einem solchem Zertifikat wird die Produktion von erneuerbarer Energie beurkundet. Diese Zertifikate werden von Energieerzeugern und Energiehändlern benötigt und haben somit einen Wert zu dem Sie gehandelt werden. Wie die Betreiber der Biogasanlagen berichteten, war dieses System nicht sehr lukrativ und führte dazu, dass die letzten Jahre nur Verluste erwirtschaftet wurden.
Das neue Fördersystem für erneuerbare Energien in Polen sieht einige Änderungen vor:
- Betreiber von Anlagen unter einer Leistung von 40 kW (Mikroanlagen) müssen keine gewerbliche Tätigkeit ausüben.
- Betreiber von Anlagen bis 200 kW benötigen keine Konzession zur Stromerzeugung
- Einführung einer Abnahmegarantie für erneuerbare Energie für Betreiber von Mikroanlagen
- Einführung eines Auktionssystems
In Polen gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Mechanismus für die Direktvermarktung. Allerdings werden hier intensive Gespräche geführt, so dass in absehbarer Zeit mit einer Öffnung gerechnet werden kann. Energy2Market und die Betreiber der angeschlossenen Anlagen im virtuellen Kraftwerk leisten hier also Pionierarbeit für den polnischen Markt. Wie die Vertreterin von Energy2Market mitteilte, gibt es vom polnischen Netzbetreiber das Angebot, die Regelleistungen zu bezahlen, sobald eine gewisse Größenordnung angeboten werden kann. Das Unternehmen arbeit daran, das virtuelle Kraftwerk in Polen durch Gewinnung weiterer Anlagenbetreiber auf diese Größenordnung zu erweitern.
Die Rolle der DENA im Virtuellen Kraftwerk in Polen
Die Deutsche Energie-Agentur (DENA) ist das Kompetenzzentrum für Energieeffizienz, erneuerbare Energien und intelligenter Energiesysteme. Die DENA sieht sich selbst als Schnittstelle zwischen Politik und Energiewirtschaft. In rund 80 Projekten engagiert die DENA sich für die Energiewende. Gesellschafter der DENA ist die Bundesregierung mit einer Beteilgung von 50%. Weiterhin sind die KfW Bankengruppe, die Deutsche Bank, die DZ Bank und die Allianz SE an der DENA beteiligt.
Unter anderem unterstützt die Agentur deutschen Unternehmen aus der Energiewirtschaft dabei, Projekte im Ausland zu realisieren. Hierzu gibt es das Programm „dena Renewable-Energy-Solutions Programm„. Dieses Programm fördert die Instalation von erneuerbarer Energietechnik an repräsentativen Standorten im Ausland. Im Rahmen des Programms werden Projekte bis zu einem Volumen von 235.000 € gefördert, wobei 45% der Projektkosten förderfähig sind. Im Rahmen des Programms enthalten Unternehmen neben der finanziellen Förderung auch Unterstützung bei der Bildung eines Netzwerkes im ausländischem Markt. Außerdem wird die Beratung zur Durchführung von Auslandsprojekten gefördert und es gibt Hilfe bei der Steigerung der Bekanntheit im Ausland.