Sind Stromspeicher- und Energiewende-Startups zum Scheitern verurteilt?

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aquion-salzwasserbatterie

Stromspeicher sind ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Energiewende. Doch es ist fraglich, ob Lithium-Ionen-Speicher die auf lange Sicht beste Technologie darstellen. Unternehmen, die an Nachfolgetechnologien arbeiten, haben es jedoch nicht leicht, wie die jüngste Pleite von Aquion Energy zeigt. Das Startup hatte eigentlich alles richtig gemacht.

Die Aquion Salzwasserbatterie: Langlebig, günstig, ungiftig

Aquion wurde 2008 von Jay Whitacre gegründet, einem Professor für Materialkunde aus Pittsburgh, der zuvor Batterien für die Mars-Rovers der NASA entwickelt hatte. Whitacre konnte fast 200 Millionen US-Dollar von prominenten Investoren einsammeln. Mit Aquion entwickelte Whitacre sehr kostengünstige Batteriesysteme aus ungiftigen und recycelbaren Materialen, die in großer Menge verfügbar sind. Die Anode besteht hauptsächlich aus Graphit, die Kathode aus Manganoxid, der Separator aus synthetischer Baumwolle. Als Elektrolyt wird Salzwasser eingesetzt. Für dieses Konzept erhielt Aquion 2015 den renommierten Innovationspreis ees AWARD. Die Systeme von Aquion sind aber nicht nur kostengünstig und ungiftig, sondern auch robust und langlebig. Das soll sie auf lange Sicht günstiger machen. Sie haben zwar eine deutlich geringere Energiedichte als Lithium-Ionen-Batterien und sind daher größer. Doch sie sind ohnehin vor allem für den stationären Einsatz gedacht, wo Größe kein entscheidendes Kriterium ist. Aquion versprach für seine Salzwasserbatterie beim Einsatz mit typischen Photovoltaikanwendungen eine Zyklenfestigkeit von 3.000 Zyklen bei 75 Prozent der Ursprungskapazität. Allerdings erreichen Lithium-Ionen-Systeme bereits ähnliche oder bessere Werte.

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Weil die Aquion-Batterien jedoch so robust sind, eignen sie sich besser für die Speicherung fluktuierender Energie aus Wind und Sonne als Lithium-Ionen-Systeme. Eine Schwäche von Lithium-Ionen- bzw. Bleibatterien ist, dass sie beim vollständigen Entladen beschädigt werden. Das ist bei der Aquion-Batterie kein Problem. Außerdem kann der Salzwasserakku bei Temperaturen zwischen minus 5 und plus 40 Grad Celsius betrieben werden und ist daher auch für den Einsatz in heißen Regionen gut geeignet. Die Energiewende braucht leistungsfähige, langlebige und günstige Stromspeicher wie diese, da sie in großem Maßstab zur Netzstabilisierung eingesetzt werden können.

Momentan ist Lithium die attraktivere Wahl für Investoren

Warum also geht ein Startup wie Aquion Pleite? Viele Experten sind schließlich der Meinung, dass Lithium-Ionen-Systeme auf lange Sicht nicht die beste Wahl sind. Schon allein deshalb, weil Lithium als Rohstoff nur begrenzt vorhanden ist und die Lithium-Preise deshalb nicht endlos fallen können. Davon ist aktuell aber noch nichts zu spüren: Im Jahr 2012 hatte sich Aquion zum Ziel gesetzt, seine Batterien für unter 300 Dollar pro Kilowattstunde herzustellen. Mit diesem Wert lag das Startup damals ungefähr zwischen Blei-Säure-Batterien und Lithium-Ionen-Systemen. Später sollten die Preise für die Salzwasserbatterie weiter sinken. Wo Aquion zum Zeitpunkt der Insolvenz stand ist unklar, doch der Preis für Lithium-Ionen-Systeme ist Angaben von Bloomberg New Energy Finance letztes Jahr auf 273 Dollar pro Kilowattstunde gefallen und soll durch die weltweite Massenproduktion weiter sinken, bis auf 73 Dollar/kWh im Jahr 2030. Ob diese Schätzungen realistisch sind, wird von manchen Analysten bezweifelt. Doch solange die Preise fallen, und das werden sie wohl noch eine Weile, ist es für Investoren lohnender, weiter in diese Technologie zu investieren. So lange bleibt es unattraktiv, auf neue, unbekannte Technologien zu setzen.

Viele Clean-Tech-Startups kämpfen ums Überleben

Hinzu kommt, dass sich zwar allmählich ein Markt für große Stromspeicher zur Netzstabilisierung entwickelt, dieser aber nach wie vor klein ist. Auch wenn neue Technologien auf lange Sicht großes Potential für den Umbau des Energiesystems haben könnten, sind die Startbedingungen für junge Unternehmen in diesem Bereich schlecht: Sie müssen zuerst massive Investitionen tätigen. Anschließend müssen sie mit den sich schnell weiterentwickelnden vorherrschenden Technologien mithalten. Das schaffen nur sehr wenige. Aktuell entscheiden sich Kunden, die ein Speichersystem für mehrere Millionen Dollar anschaffen wollen, für die Lithium-Ionen-Technologie, die gut und schnell verfügbar ist. Kein Wunder also, dass viele über Risikokapital finanzierte Energiewende-Startups ums Überleben kämpfen oder sogar scheitern. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Insolvenz von EnerVault, einem Unternehmen, das Flussbatterien entwickelte. Nachdem EnerVault 2015 keine neuen Investoren finden konnte, musste es aufgeben. Das Startup LightSail Energy, welches daran arbeitet, Energie als komprimierte Luft in Drucklufttanks zu speichern, verkauft seine Tanks mittlerweile an Erdgaslieferanten zum Transport des Gases. Das Unternehmen hat im letzten Jahr zudem ein Drittel seiner Belegschaft entlassen. Ebenfalls 2015 musste auch Ambri, ein Startup, das Flüssigmetall-Batterien entwickelt, ein Viertel seiner Angestellten entlassen.

Wie geht es weiter?

Welches der neuen Speicherkonzepte oder welche Kombination daraus letztendlich die aktuellen Systeme ablösen kann, weiß niemand. Doch alle Alternativen, die derzeit entwickelt werden, benötigen weitere substantielle Investitionen und Zeit. Woher soll das Geld kommen? Die Trump-Administration hat damit begonnen, die staatlichen Gelder zur Finanzierung von Energiewende-Startups in den USA zu kürzen. Seit 2011 wurden dort außerdem 30 Prozent weniger Risikokapital für saubere Technologien bereitgestellt. Eine gute Nachricht ist zwar, dass der Markt für große Netzspeicher mit dem Ausbau der Erneuerbaren wächst. Hinzu kommt, dass auch Industrieunternehmen nach Möglichkeiten suchen, ihre Spitzenlast mithilfe von Stromspeichern zu verringern. Dennoch werden es Energiewende-Startups auf absehbare Zeit schwer haben. Für Aquion gibt es immerhin Hoffnung: Der österreichische Stromspeicherspezialist BlueSky Energy hat ein Kaufangebot für die Vermögenswerte von Aquion abgegeben. Das Unternehmen arbeitet seit Jahren mit der Salzwassertechnologie und den Aquion-Produkten und plant nach eigener Aussage, mit der Technologie stark zu expandieren.

Quellen / Weiterlesen

Why Bad Things Happen to Clean-Energy Startups | MIT Technology Review
pv magazine award für Lithium-Konkurrenten Aquion Energy | pv magazine
BlueSky Energy legt Kaufangebot für Aquion vor | EUWID Neue energie
Bildquelle: Pixabay

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Stephan Hiller
Stephan Hiller ist Betriebswirt (Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin und in Cambridge, UK) mit umfangreicher Geschäftsführungs- und Start-Up Erfahrung. Er hat sich erfolgreich darauf spezialisiert, den Finanzbereich und das Controlling junger Unternehmen operativ zu betreuen und Start-Ups strategisch sowie in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Finanzen zu beraten. Er verfügt über umfassende kaufmännische Erfahrungen, die er durch mehrjährige Berufstätigkeit für internationale Unternehmen im In- und Ausland aufgebaut hat. Hierunter waren u.a. Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Automobilindustrie, Solarmodulhersteller und Projektentwickler aus dem Bereich erneuerbare Energien. Weiterhin hat er mehrere Unternehmensgründungen im Bereich erneuerbare Energien initiiert und erfolgreich mit aufgebaut. Stephan hat zusammen mit Ajaz Shah energyload.eu im Oktober 2013 gegründet.

1 Kommentar

  1. Das Märchen, dass die durch die Zufallsstromerzeugung aus Wind- und Solaranlagen notwendige Netzstabilisierung durch Batterien möglich ist, ist doch spätestens seit dem gescheiterten Großversuch auf der Insel Pellworm widerlegt.

    Es geht also lediglich darum, bis zum unausweichlichen Zusammenbruch der „Energiewende“ noch so viel Reibach wie irgendwie möglich zu machen. Geld verdient man aber nicht durch Forschung, sondern indem man möglichst billig zu produzierende Produkte durch geschicktes Marketing an möglichst viele Kunden verkauft. (Schönen Gruß vom iPhone.) Und nachdem der durchschnittlich informierte Bürger von allen Seiten eingeredet bekommt, die Lithium-Ionen-Technologie sei der Heilige Gral der Stromspeicherung, ist jeder Anbieter, der entgegen dieser Meinung etwas anderes vermarkten will, schlicht nicht ganz zurechnungsfähig – oder bestenfalls ein naiver Idealist.

    Mittel- bis langfristig wird die ganze Geschichte sowieso darauf hinaus laufen, dass wir unsere Stromversorgung mit Schwung gegen die Wand fahren – idealerweise mit einem großflächigen und langandauernden (eine Woche reicht da vollkommen) Blackout. Die Folgen eines solchen Blackouts wären so massiv, dass die Bevölkerung danach gerne jede Technologie unterstützen wird, die einen Ausweg aus dieser Sackgasse verspricht. Und dann wird die Kernenergie-Lobby endlich das Ziel erreicht haben, dass sie seit der Erfindung des CO2-Märchens in den 70er Jahren systematisch verfolgt.

    Und das schöne daran ist, dass ausgerechnet die Kernenergie-Gegner massiv dazu beitragen, dass es früher oder später zwangsläufig zu dieser Situation kommen muss.

    Oder hat irgendwo auf der Welt irgendwer irgend eine realistische Idee, wie sich dieses Szenario noch verhindern ließe?

    (In der aktuellen „Welt am Sonntag“ vom 23.07.2017 steht übrigens ein sehr schöner Artikel zu diesem Thema.)

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