Der aktuelle Energiewende-Index von McKinsey zeigt, dass einige der zentralen Ziele der Energiewende zunehmend unerreichbar werden. Die Unternehmensberatung wertet seit vier Jahren anhand von 15 Indikatoren den Status der deutschen Energiewende aus. Die neueste Analyse der halbjährlichen Untersuchung zeigen schlechte Ergebnisse. Die Kosten für Netzeingriffe explodieren, während andere Ziele wie der Offshore-Windausbau übererfüllt werden und gleichzeitig der Netzausbau zu langsam voran geht. McKinsey warnt. Wenn Deutschland seine Vorreiterrolle bei der Energiewende behalten will, muss die Energiewende inklusive des Netzausbaus ganzheitlich geplant und umgesetzt werden.
Indikatoren mit „realistischer“ Zielerreichung
Derzeit bewertet McKinsey sieben der 15 Planziele bis 2020 noch als realistisch erreichbar, die meisten mit positiver Tendenz. Lediglich der Photovoltaik-Ausbau entwickelt sich (auf hohem Niveau) leicht rückläufig, was auf die geringere staatliche Förderung zurückzuführen ist. Bei den Offshore-Windparks hingegen hat die Bundesregierung sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 eine Gesamtleistung von 6,5 Gigawatt zu erreichen. Erreicht wurde bereits jetzt das Etappenziel von 3,3 Gigawatt, laut McKinsey eine Zielerfüllung von 170 Prozent. Auch die Anbindung der bereits bestehenden Offshore-Windparks ist abgeschlossen, alle Windparks sind mittlerweile am Netz. Das gesetzte Ziel wurde zu 100 Prozent erreicht. Das hat auch Auswirkungen auf einen weiteren Indikator, die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energien. Hier ging die Zahl der Beschäftigten leicht zurück, doch der Indikator liegt weiter im Zielkorridor. Viele Arbeitsplätze verlagerten sich allerdings von der Solar- hin zur Windbranche, wo on- und offshore neue Jobs geschaffen wurden.
Ebenfalls als noch realistisch erreichbar gilt die Zielwerte bei den Kapazitätsreserven in deutschen Kraftwerken, die Sicherung der Stromversorgung in Deutschland und bei den Arbeitsplätzen in stromintensiven Industrien. Hier wurden rund 45.000 Arbeitsplätze neu geschaffen. Die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich liegt damit bei rund 1.661.000.
Indikatoren mit „leichtem Anpassungsbedarf“
Anpassungsbedarf gibt es beim Ausbau der Transportnetze. Hier entfernt sich der Indikator aufgrund von Verzögerungen weiter von seinem Zielkorridor. Der Zubau beträgt aktuell rund 614 km, die Gesamtlänge soll bis 2020 insgesamt 1.887 Kilometer betragen. Den dafür nötigen jährlichen Zubau von 300 km bewertet McKinsey im Hinblick auf die aktuelle politische Diskussion als „mehr als unwahrscheinlich.“ Das wiederum hat Auswirkungen auf den Ausbau der Erneuerbaren. Laut dem aktuellem EEG-Entwurf soll der Zubau von Windstromkapazität im Norden auf 60 Prozent der Gesamtmenge begrenzt werden, da der verlangsamte Netzausbau ein stärkeres Kapazitätswachstum nicht zulasse, heißt es in der Auswertung.
Indikatoren mit „unrealistischer“ Zielerreichung“
Wie schon in der vorherigen Erhebung werden sieben Ziele in ihrer Erreichbarkeit als unrealistisch eingestuft, und das mit der „Tendenz zu weiterer Verschlechterung“. Der starke Anstieg der Kosten für Netzeingriffe ist einer der massivsten Veränderungen im Index. Immer häufiger seien genannte Redispatch-Maßnahmen notwendig, die das Zu- und Abschalten von Kraftwerkskapazitäten regelten, heißt es. Die Kosten dafür haben sich fast verdoppelt und lagen zuletzt bei 403 Millionen Euro, was zu einer starken Verschlechterung des Indikators auf -141 Prozent geführt hat. McKinsey zufolge sind die zahlreichen Netzeingriffe fast ausschließlich auf den zu langsamen Netzausbau zurückzuführen. Die erwartete weitere Verzögerung bei der SüdLink-Trasse und anderen Nord-Süd-Trassen lässt erwarten, dass sich dieser Trend noch verstärkt.
Neben den Netzeingriffen wird die ökonomische Bilanz der Energiewende auch durch die Entwicklung der Strompreise verschlechtert. Das Preisniveau für Haushaltsstrom in Deutschland liegt mittlerweile 42,1 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Bei Industriestrom liegt der Wert bei 20 Prozent, Tendenz auch hier steigend. Die Zielerreichung bei den Haushaltsstrompreisen liegt aktuell bei 35 Prozent, bei Industriestrom inzwischen bei -45 Prozent. Ebenfalls gefährdet ist die Erreichung der Zielsetzung beim Primärenergieverbrauch, der konjunkturbedingt erneut gestiegen ist, der vorgesehene Zielwert ist zu gerade 46 Prozent erreicht. Der Stromverbrauch in Deutschland ist zwar leicht gesunken und betrug gemäß einer Schätzung der AG Energiebilanzen im Jahr 2015 insgesamt 594 TWh. Er liegt damit aber weiterhin über dem Ziel von 579 TWh. Die Zielerreichung für diesen Indikator liegt nun bei 59 Prozent.
CO2-Ausstoß hat sich erhöht
Auch der CO2-Ausstoß hat sich auf 925 Megatonnen erhöht, „womit das für 2020 angepeilte Ziel von 750 Megatonnen in immer weitere Ferne rückt“, heißt es in der Untersuchung. Die Zielerreichung liege aktuell bei 42 Prozent wird deshalb ebenfalls als unrealistisch eingestuft, dasselbe gilt für die Höhe der EEG-Umlage, deren Zielwert im Jahr 2020 bei 3,5 Cent pro Kilowattstunde liegt. Aktuell beträgt diese 6,35 Prozent, Tendenz weiter steigend.
Quellen / Weiterlesen:
Energiewende in Deutschland: Kosten für Netzeingriffe explodieren – Der Tagesspiegel
Deutschland ist bei der Energiewende kein Vorbild mehr – Welt N24
Energiewendeindex – McKinsey&Company
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