Werden für die Energiewende wirklich Stromspeicher benötigt?
Bisher haben Stromspeicher eine bedeutende Rolle in der Energiewende eingenommen. Mittlerweile sind die Aussagen über den tatsächlichen Bedarf umstritten, da auch Konkurrenzlösungen und andere Einsatzszenarien bedacht werden müssen. Hierzu haben die Fraunhofer Institute IWES und UMSICHT Studien zu den neuen Themen Power-to-Gas und Stromspeicher untersucht. In diesen Studien wird die Datenlage sowohl für die verschiedenen Energieauslastungsszenarien im Stromsystem, aber auch die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit moderner Speichertechnologien beleuchtet. Insbesondere das Thema Solarbatterien und Energiewende spielt in dieser Studie einer herausragende Rolle.
Zu diesem Forschungsprojekt sprach der BINE Informationsdienst mit der Koordinatorin des Projekts, Dr.-Ing. Anna Grevé.
Das Interview zum Forschungsprojekt
BINE teilt mit, dass mehr als 800 Studien auf Relevanz geprüft wurden. Anna Grevé erklärt, dass selbst bei ihnen nicht klar war, dass es so viele Studien geben würde. Um diese Metastudie zu bewältigen, wurde eine Methodik aus der Medizin gewählt. Hierbei werden die einzelnen Studien nicht einfach gegenübergestellt, sondern sozusagen geclustert und miteinander verglichen. Anschließend wurde der ingenieurwissenschaftliche Kontext übertragen, so dass man sich letztlich auf 400 Studien konzentrieren konnte.
Welche Probleme mussten bei der vergleichenden Auswertung gelöst werden?
Bei den Studien ging man weniger auf die gewählte Methodik ein, sondern in erster Linie auf Annahmen. Beispiele waren der EE-Ausbau, der eigentliche Stromverbrauch, die Jahreshöchstlast und der Bilanzierungsrahmen. Wie sich die Variation dieser Parameter auswirkt, lässt sich über die Studiengrenzen hinweg nicht erkennen. Die Anzahl der Variationen der Parameter war einfach zu hoch, teilt Anna Grevé mit.
Momentan kommt die Stromversorgung auch ohne Batteriespeicher aus
Fraglich ist, welchen Speicherbedarf die Forscher in den kommenden Dekaden sehen. Anna Grevé erklärt, dass Speicher letztlich Optionen sind, die ähnlich einem Ausgleich Angebot und Nachfrage decken oder entkoppelt gesehen werden müssen. In der Tendenz sehen alle Studien einen Energieausgleichsbedarf und einen zusätzlichen Kapazitätsbedarf für die Zukunft voraus. Die Erwartungen schwanken jedoch enorm. Für das Jahr 2020 läge der Bedarf zwischen drei und 30 Gigawatt und für das Jahr 2030 zwischen 13 und 50 Gigawatt. Die Frage ist, wie der Energieausgleich stattfinden kann. Anna Grevé teilt mit, dass es hierzu die verschiedensten Möglichkeiten gibt. Der Energieausgleichsbedarf wurde auf eine Größe bezogen, wie er auch in den meisten Studien ebenfalls vorkam, den sogenannten zusätzlichen Kapazitätsbedarf. Dieser wurde in den Studien durch GuD-Kraftwerke und Gasturbinen realisiert. Hierbei wurden die möglichen Alternativen wie die Flexibilität von Lasten und Elektromobilität, KWK-Anlagen, Wärmepumpen und Stromspeichern noch gar nicht berücksichtigt.
Bilden Speicher- und Netzausbau in Bezug auf ein flexibles Stromsystem eine Konkurrenz?
Wer sich die regionalen Unterschiede ansieht, kann nur über einen Netzausbau weiterkommen. Anna Grevé erklärt, dass die großen Überkapazitäten an Erneuerbaren in Norddeutschland nicht über einen Speicher nach Süddeutschland transportiert werden können. Ausnahme bildet Power-to-Gas, wenn dies als Speicher bezeichnet wird. Allgemein sind Speicher jedoch eine Option, einen zeitlichen und lokalen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zu ermöglichen. BINE fragt an, ob Netze und Speicher sich gegenseitig benötigen. Hierauf erklärt Grevé, dass der Netzausbau einen großen Einfluss nimmt, wie stark das Angebot und die Nachfrage voneinander abweichen. Schließlich kann nur ein Netz den lokal-regional überschüssigen Strom dorthin transportieren, wo er auch benötigt wird. In einer Region, in der es ehedem einen Überschuss gibt, nützt auch ein Speicher wenig. Auf der anderen Seite kann über einen Netzausbau aber auch keine Regelleistung bereitgestellt werden. Hier sollte man darauf achten, was der Speicher leisten soll. Bei vielen PV-Eigenstrom-Nutzern hilft der Netzausbau wenig. Häufig liegen die größten Hemmnisse für den großflächigen Einsatz von Stromspeichern im Marktdesign und in den regulativen Randbedingungen. Momentan existieren keine einheitlichen Regelungen oder eine Gesetzgebung für Speicher und deren Flexibilität. Sogar Speicher untereinander werden ungleich behandelt.
Beispiele für Ungleichbehandlungen von Speichern
Wer einen Pumpspeicher betreibt, der muss für ihn ein Netzentgelt bezahlen. Gleichzeitig ist er aber von der EEG-Umlage und von der Stromsteuer befreit. Betreibt man einen Batteriespeicher, ist man zwar von der EEG-Umlage befreit, muss aber die Stromsteuer und Netzentgelte bezahlen. Dabei stellt sich auch die Frage, wer eigentlich Stromspeicher betreiben darf. Dies dürfte eigentlich der Netzbetreiber nicht sein, da Produktion und Transport getrennt sein müssen. Ein Netzbetreiber darf daher nur dann einen Stromspeicher betreiben, wenn er hierüber eine Netzstabilisierung anstrebt und nicht am Markt damit agiert und Geld verdient. Gerade eine Mehrfachnutzung ist aber ausschlaggebend für einen ökonomischen Betrieb.
Schlagen die Studien ein besonderes Marktdesign vor?
Anna Grevé teilt mit, dass die Autoren hier unterschiedliche Aussagen treffen. In älteren Studien wird eine nationale Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit angestrebt. Hierbei wird die Schaffung von Kapazitätsmärkten favorisiert. Neuere Studien besagen, dass zunächst die Hemmnisse abgebaut werden sollen, um den Flexibilitätsbedarf zu reduzieren. Erst danach können Aussagen darüber getroffen werden, wie ein neuer Markt möglicherweise aussehen kann. Wichtig ist in diesem Fall auch eine starke europäische Koordination.
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Ich denke, dass der Weg über kurz oder lang über dezentrale Stromspeicher gehen wird. Aber nur, wenn diese in beiden Richtungen genutzt werden können, also wenn der EVU den Stromspeicher zur Netzstabilität nutzen kann. Die Frage ist dann aber noch, wie das vergütet wird. Ein rein privater Speicher ist in meinen Augen ziemlich unrentabel. Strom steht zur Verfügung wenn er eigentlich nicht gebraucht wird (Sommer) und im Winter bekomme ich den Speicher nicht voll… hier darf noch einiges an Gehirnschmalz investiert werden.
Viele Grüße
Rainer