In der Gemeinde Krommenie, die nördlich von Amsterdam liegt, eröffnete Wirtschaftsminister Henk Kamp einen lediglich 70 m langen Radweg, der es in sich hat. Dieser Radweg soll die Gemeinde Krommenie mit der Nachbargemeinde Wormerveer verbinden. Interessant ist, dass es sich nicht um einen herkömmlich asphaltierten Radweg handelt, sondern um ein begehbares Kraftwerk, ein Solarfahradweg. Unter einer dünnen Schicht Glas schimmern bläulich Solarzellen hindurch. Das Teilstück soll auf 100 m Länge erweitert werden. Es ist in der Lage, mit dem erzeugten Strom etwa drei Haushalte im Jahresdurchschnitt zu versorgen. Das Pilotprojekt wird über drei Jahre hinweg begleitet.
Massenhaft verfügbarer Solarstrom
Sollte das Experiment gelingen, so stände demnächst massenhaft billiger Solarstrom zur Verfügung. Allein in den Niederlanden gibt es 140.000 km Straßen, die in solche Solarkraftwerke verwandelt werden können. Etwa 42.000 km Radwege reichen aus, um den gesamten Autoverkehr in den Niederlanden elektrisch betreiben zu lassen. Der Import von Treibstoff würde dann der Vergangenheit angehören. Das Projekt nennt sich Solarroad und wird von erfahrenen Straßenbauern entwickelt. Neben der niederländischen Industrieforschungsorganisation TNO, die Straßenbauer Ooms Civiel und das Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen Imtech investieren auch die Provinz Nord-Holland rund drei Millionen Euro in dieses Vorhaben.
Das Potential in Deutschland mit mehr als 650.000 km Straßen ist ungleich höher und soll durch das Projekt Solmove gehoben werden.
Kann ein Radweg genug Strom erzeugen?
Die Solarroad-Ingenieure rechnen mit einer Stromausbeute von 50 bis 70 kWh je Quadratmeter Fläche und Jahr. Bei 100 m Radwegelänge mit einer Breite von 1,5 m käme man auf rund 10.500 kWh im Jahr. Ausgehend von 3,5 kWh, die ein Durchschnittshaushalt verbraucht, könnten hiermit drei Haushalte versorgt werden.
Nach einer Testzeit von drei Wochen konnte der Radweg schon immerhin 140 kWh Strom erzeugen. Zu berücksichtigen ist jedoch auch die jahreszeitlich bedingte Sonneneinstrahlung, die zum Jahresende deutlich geringer ausfällt. Schatten behindert die Lichteinstrahlung jedoch nicht, da der Radweg am Rand keine Bäume besitzt. Bekanntermaßen erzeugen Solarmodule den meisten Strom, wenn sie im rechten Winkel zur Sonnen eingebaut worden sind. Unter der Glasschicht im Boden liegen diese jedoch waagerecht. Die Stromausbeute ist somit geringer als eine Dachinstallation. Dennoch gehen die Betreiber davon aus, dass wenigstens ein Wirkungsgrad von 70% erreicht wird. Auch in den Vereinigten Staaten wurde dieses Verfahren bereits getestet. Etwa 10% Einbußen müssen berücksichtigt werden, da die Glasschicht auf den Wegen weniger Licht durchlässt.
Mehr Lichtausbeute durch neuartige Solarzellen auf Perowskit-Basis
Werden zukünftig für diese Wege Perowskit-Solarzellen verwendet, könnten diese aus schräg einfallendem Sonnenlicht noch wesentlich mehr Strom erzeugen. Wie teuer eine solche Solarstraße werden wird, darüber schweigen sich die Niederländer noch aus. Jedoch verraten sie, dass sich der Mehraufwand beim Straßenbau mit Glasabdeckung, Solarzellen und Verkabelung nach weniger als 15 Jahren einspielen werden. Danach verdient jeder Quadratmeter Solarroad echtes Geld. In Krommenie wäre dies die erste Straße, die kein Geld kostet, sondern welches einfährt.
Wer finanziert diese neuen Solarstraßen?
Bekanntermaßen können die meisten Gemeinden noch nicht einmal die Kosten für eine ausreichende Straßenunterhaltung erwirtschaften. Warum sollen sie dann in neue Solarstraßen investieren? Die Antwort der Experten lautet: Weil diese Solarstraßen auf die Lebensdauer gerechnet einfach billiger sind. Energieunternehmen könnten diese Straßen mitfinanzieren und mit dem Ertrag hinterher Geld verdienen. Möglich wäre auch eine Fusionierung von Straßenbau-Unternehmen und Energiekonzerne. Dann wären die Gemeinden von der Bewirtschaftung befreit.
Wie sähe dieses Projekt in Deutschland aus?
In Deutschland gibt es rund 40.000 km Radwege. Unter den gleichen Bedingungen wie in den Niederlanden könnten je Kilometer etwa 30 Haushalte mit Strom versorgt werden. Dies macht insgesamt 140.000 Haushalte. Spannend wird es, wenn auch noch die 650.000 km Straßenfläche, Flughäfen und öffentliche Plätze hinzukommen. Hierbei stünden dann 18.000 km² Nutzfläche zur Verfügung. Je Quadratmeter lassen sich im Jahr 50 kWh Strom erzeugen, umgerechnet 900 Terawattstunden. Aktuell liegt der Stromverbrauch in Deutschland bei 540 Terrawattstunden. In Verbindung mit modernen Energiespeichern und Solarbatterien können somit mehr als 100% Strom produziert und genutzt werden.
Was gibt es noch zu berücksichtigen?
Momentan handelt es sich noch um Pilotprojekte in der Testphase. Die Solarroad-Hersteller versprechen eine 20-jährige Haltbarkeit der Fahrbahnoberflächen. Neben Fahrrädern wurden auch schon Autos und schwere Traktoren über die Wege geschickt. Es wird noch eine Weile dauern, bis klar ist, ob diese neuen Fahrbahnen auch allen Witterungsbedingungen standhalten können. Ein weiteres Problem sind parkende Fahrzeuge, die Schatten erzeugen und somit die Stromausbeute verringern. In Bezug auf die Sicherheit haben die Entwickler aufgerautes Glas entwickelt. Dieses muss sich nun bei Schnee- und Eisglätte noch bewähren.
Mittlerweile wurden die ersten Projektergebnisse veröffentlicht die belegen, dass der Solarfahrradweg von Solarroad überaus erfolgreich ist.
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