Noch vor ein paar Jahren gehörte das Wüstenstrom-Projekt Desertec zu den Top-Favoriten für die Gewinnung erneuerbarer Energien. Zahlreiche Firmen hatten sich hieran beteiligt und wollten mit diesem gemeinsamen Projekt Strom für das europäische Festland erzeugen. Hierzu sollten riesige Solarkraftwerke in den Wüsten Nordafrikas installiert werden. Die beteiligten Firmen und Verbände wurden von der Politik gefeiert. Doch nun steht das Unterfangen kurz vor dem Aus. Insbesondere die deutschen Unternehmen wie E.ON, vormals M+W Zander, Bilfinger, Siemens, Bosch und die HSH Nordbank haben das Wüstenstrom-Projekt verlassen. Die anfängliche Euphorie für dieses Megaprojekt ist bei vielen verflogen. Mittlerweile haben sich viele der Initiatoren zerstritten. Hauptgrund ist der sogenannte Arabische Frühling im Norden Afrikas, so dass die Lage in der Region weitläufig instabiler geworden ist.
Die Probleme des Desertec-Projekts
Zahlreiche Umweltschützer sowie die Desertec-Stiftung haben schon vor ein paar Jahren den großen Wirtschaftsvertretern vorgeworfen, dass das Projekt viel zu einseitig zu Gunsten der Betreiber ausgenutzt werde. So hat zum Beispiel ein großer Energieversorger in Chile versucht, ein Kohlekraftwerk zu bauen, und gleichzeitig bei der Bundesregierung Subventionen für das Wüstenstrom-Projekt beantragt. Diese Vorgehensweise entspricht natürlich nicht den Prinzipien der Stiftung, die großen Wert auf lokale Wertschöpfung und maximale Umweltverträglichkeit legt. Insgesamt wird der Verdacht nahegelegt, dass die Wirtschaft dieses Projekt nutzt, um sich ein grünes Image zuzulegen.
Die Industrie sieht die Sachlage jedoch anders. Von Anfang an sei man von den Umweltschützern misstrauisch angesehen worden. Maßgeblich für die Zerstrittenheit ist aber auch, dass sich das Konsortium mittlerweile nicht mehr einig darüber ist, was eigentlich das Ziel des Projekts sein soll. So sei Bilfinger deswegen ausgestiegen, weil sich das Projekt von einer Industrie-Initiative nur noch zu einer verbandsähnlichen Interessenvertretung entwickelt habe. Die zeitlich befristeten Verträge für dieses Projekt laufen zum Ende des Jahres aus, so dass sich die verbleibenden Mitglieder nun entscheiden müssen, wie es weitergeht. Auf der anderen Seite gäbe es nach Mitteilung der Zeitung „Die Welt“ von Firmen aus Europa, Asien und den arabischen Staaten Interessen an einem Eintritt in dieses Projekt.
Ausstieg sei eine Notlösung
Thiemo Gropp, der Geschäftsführer der Stiftung, teilte in einem Gespräch mit, dass die Kündigung eine Notmaßnahme sei. Immerhin möchte man das Wüstenstrom-Projekt Desertec schützen, welches die Stiftung mit ihren Partnern aus Saudi-Arabien, Asien, Chile, Brasilien und Peru zusammen vorangetrieben haben. Das Konzept dürfe nicht unverschuldet in eine negative Berichterstattung hineingezogen werden. Insbesondere der Austritt der Industrie aus der Stiftung sorgt bei vielen Beteiligten für Ärger. Desertec ist sich dennoch sicher, dass das Projekt weitergeführt wird und dass eines Tages Strom aus Afrikas Wüsten nach Europa fließt. Grundvoraussetzung für eine konsequente Umsetzung sei jedoch, dass sich die Beteiligten wieder an einen Tisch setzen. Hierzu müssen auch die ausgetretenen Industrie-Konzerne wieder Bereitwilligkeit zeigen. Die Eckpunkte des Desertec-Konzepts müssen zukünftig von der Stiftung überwacht werden. Diese soll dann auch die alleinige Richtlinienkompetenz für die Umsetzung dieses Großprojekts haben.
Mittlerweile steht das Projekt vor dem endgültigen Aus. Mehr zum aktuellen Status finden Sie in unserem Artikel „Desertec endgültig gescheitert?“ Es gibt aber auch Argumente dafür, dass Desertec nicht gescheiter ist. Diese finden Sie in unserem Artikel „Desertec – Wüstenstromprojekt doch nicht gescheitert?„.
Wüstenstrom aus Nordafrika
Man darf gespannt sein, wie sich die Beteiligten entscheiden werden. Die Zeit bis zum Auslaufen der Verträge am Ende des Jahres ist kurz bemessen. Fraglich ist auch, wie sich das Projekt unter einer möglichen Beteiligung der neuen Investoren entwickeln wird. Ein heikles Thema ist ehedem die unsichere Lage im Norden Afrikas. Tatsache ist, dass ein Solarstrom-Kraftwerk im Megawatt-Bereich durchaus eine enorme Entlastung im Bereich der erneuerbaren Energien darstellt. Auch die räumliche Lage ist für solche Kraftwerke nahezu ideal.
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