Neue Windstromprojekte werden mittlerweile über Ausschreibungen vergeben. Sogenannte Bürgerenergie-Gesellschaften sollen dabei gegenüber großen Gesellschaften keine Nachteile haben: Für sie gelten deshalb gewisse Privilegien beim Ausschreibungsverfahren. Doch jetzt stellte sich heraus, dass hier Missbrauch betrieben wird. Hinter vielen Bürgerenergiegenossenschaften verbergen sich große Projektierungsgesellschaften.
Bürgerenergiegenossenschaften sollen die Bürger auf kommunaler Ebene direkt an der Energiewende beteiligen. Solche kleinen Gesellschaften können das finanzielle Risiko einer Ausschreibungsteilnahme oft nicht stemmen. Das liegt daran, dass für sie das Risiko zu groß ist, auf den hohen Kosten für die Projektentwicklung sitzenzubleiben, wenn sie den Zuschlag nicht erhalten. Sie haben daher verschiedene Sonderrechte: Sie müssen keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für ihre Windparkprojekte vorlegen und die Umsetzungsfrist erhöht sich von 30 auf 54 Monate.
Die Privilegien für Bürgerenergie führen zu Fehlentwicklungen und Verzerrungen
Inzwischen sind solche Gesellschaften bei den Ausschreibungsverfahren sehr erfolgreich: In der zweiten Ausschreibungsrunde in diesem Jahr entfielen 90 Prozent der Zuschläge auf diese Gruppe, das entspricht 95 Prozent der Zuschlagsmenge. Ausgeschrieben waren rund 1.000 Megawatt Onshore-Wind. Die Bundesnetzagentur wies bei der Veröffentlichung der Ergebnisse darauf hin, dass der überwiegende Teil der Bürgerenergie-Gebote, die den Zuschlag erhalten haben, „zumindest organisatorisch einem einzelnen Projektierer zuzuordnen sind“. Konkret geht es dabei um die Unternehmensgruppe UKA Meißen, dem zweitgrößten Onshore-Windprojektierer Deutschlands. Dieser profitiert scheinbar durch die Gründung von Bürgerenergiegesellschaften, für die bereits 10 Mitglieder ausreichend sind, von den geltenden Sonderregelungen. UKA erhielt durch den Zugang über Bürgerenergie 68 Prozent der Zuschlagsmenge.
UKA hat offenbar gezielt Bürgerenergiegesellschaften gegründet
Viele der Gesellschaften, die UKA zuzuordnen sind, wurden erst kurz vor der Ausschreibung Anfang Juli gegründet, alle sind unter der Geschäftsadresse der UKA-Zentrale in Meißen gemeldet. Gegenüber klimaretter.info gab die UKA-Gruppe an, dass man das Geschäftsmodell habe anpassen müssen, „angesichts des Umstandes, dass bereits in der ersten Ausschreibungsrunde 96 Prozent des Zuschlagsvolumens an Bürgerenergie-Projekte gegangen waren.“ Man habe dann vor der Frage gestanden, ob ein genehmigtes Projekt überhaupt noch ein Bürgerenergie-Projekt in der Frühphase der Projektentwicklung unterbieten könne. Daher habe sich die UKA-Gruppe entschlossen, den Bürgerenergiegesellschaften als „erfahrener Partner und Projektentwickler“ zur Seite zu stehen. UKA sei jedoch bei keinem Projekt stimmberechtigt, gab eine Sprecherin an.
EEG-Änderung geht wieder zu Lasten der Bürgerenergie
Die Bundesnetzagentur hat nach eigenen Angaben bereits nach der ersten Ausschreibungsrunde in diesem Jahr alle Bürgerenergie-Gesellschaften überprüft. Hinweise für Gesetzesverstöße gäbe es nicht. Doch ein solches Verfahren untergräbt die Akteursvielfalt im Bereich Erneuerbare Energien, die der Gesetzgeber mit den Sonderregelungen eigentlich sichern wollte. Der Bundestag hat deshalb bereits im Sommer das Erneuerbare-Energien-Gesetz dahingehend geändert, dass ab 2018 auch Bürgerenergie-Gruppen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorweisen müssen. Das löst das Problem jedoch nicht: Echte Bürgerenergiegesellschaften werden dadurch wieder massiv benachteiligt.
Quellen / Weiterlesen:
Zweifelhafte „Bürgerenergie“ | Klimaretter.Info
Hinter Bürgerenergie-Windparks stecken oft Profis | Stuttgarter Nachrichten
Unter falschem Markenzeichen: Farce um Bürgerenergie in Schkölen | Osttühringer Zeitung
Bildquelle: Pixabay
Was ist denn nach Meinung des Autoren eine „echte Bürgerenergiegesellschaft? Eine Gesellschaft, die von einfachen Bürgern gegründet wurde und anschließend einen Windpark selbst plant und errichten lässt? Wo soll die denn in der Praxis existieren?
Der Markt ist doch längst fest in der Hand von Projektierern, die selbst an den unwirtschaftlichsten Standorten Windparks genehmigen lassen und anschließend eine „GmbH & Co. KG“ oder eine Genossenschaft gründen, an die sich die Bürger beteiligen sollen- und an die sie diese Genehmigung anschließend mit kräftigem Gewinn verkaufen, womit die Gesellschafter bzw. Genossenschaftler auch das volle wirtschaftliche Risiko übernehmen.
Dieses Risiko wird durch die angebliche Priviligierung von Bürgerenergiegesellschaften sogar noch gesteigert. Denn jetzt werden diese Gesellschaften schon vor der Genehmigungserteilung zur Kasse gebeten (die Teilnahme an der Ausschreibung ist ja keineswegs kostenlos) – mit dem Risiko, dass anschließend gar keine Genehmigung für den Windpark erteilt wird.
Der Betrug bei Bürgerenergiegenossenschaften ist allerdings noch größer, als hier angedeutet wird.
Laut § 1 Abs. 1 des Genossenschaftgesetzes gilt für eine Genossenschaft nämlich:
„Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (Genossenschaften), erwerben die Rechte einer ‚eingetragenen Genossenschaft‘ nach Maßgabe dieses Gesetzes.“
Der Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. übersetzt dieses Juristendeutsch auf seiner Webseite so:
„Gemeinsam seine Ziele besser zu erreichen als im Alleingang, das ist der Grundgedanke einer jeden Genossenschaft. Eine genossenschaftliche Kooperation bietet sich immer dann an, wenn das Verfolgen eines wirtschaftlichen Ziels die Leistungsfähigkeit des Einzelnen übersteigt, zugleich aber die selbständige Existenz gewahrt werden soll. Mit Hilfe eines gemeinschaftlich betriebenen Unternehmens wird die wirtschaftliche Tätigkeit der Genossenschaftsmitglieder ergänzend unterstützt. Man tritt gemeinsam am Markt auf, etwa um günstige Absatz- und Beschaffungskonditionen zu erlangen oder aber betriebliche Funktionen effizienter und qualitativ besser ausüben zu können.“
Und bereits für Friedrich Wilhelm Raiffeisen galten „Solidarität und Hilfe zur Selbsthilfe“ zu den wichtigsten Prinzipien einer Genossenschaft.
Bei den sogenannten Energiegenossenschaften handelt es sich aber lediglich um den Zusammenschluss von Leuten, die durch die Investition von Risikokapital einen möglichst großen Gewinn erwirtschaften wollen. Die Selbstnutzung der so finanzierten Einrichtung, also z.B. der Bezug von Strom aus dem eigenen Windpark, steht für diese „Genossenschaftler“ dagegen überhaupt nicht zu Debatte.
Eigentlich handelt es sich hierbei also um Komanditgesellschaften – welche aber die rechtlichen Vorteile der Genossenschaften ausnutzen. Hierzu zählt vor allem das Entfallen der Prospektpflicht (und damit der Prospekthaftung). Während man bei allen anderen Gesellschaftsformen als Initiator die Kalkulation und alle wirtschaftlichen Risiken in einem Anlegerprospekt veröffentlichen muss (und für die gemachten oder verschwiegenen Aussagen auch die volle Haftung – bis zur Privathaftung – trägt), kann man bei Genossenschaften das Blaue vom Himmel herunter lügen, ohne damit irgend ein Risiko einzugehen.
Dass es in der Praxis letztlich keinen Unterschied zwischen Energiegenossenschaften und jeder anderen Gesellschaftsform gibt, beweist dieser Artikel zudem eindrucksvoll, indem er die Begriffe „Bürgerenergiegenossenschaften“ und „Bürgerenergiegesellschaften“ wie Synonyme verwendet.
Was ist jetzt neu daran, dass das Kapital die Bürger über den Tisch zieht? Genauer gesagt die Heuschrecken.