Seit September liefert Rivian den Elektro-Pickup R1T aus. Jetzt legte das Start-up die Geschäftszahlen für das vierte Quartal und das Gesamtjahr 2021 vor, die einen Verlust von 4,6 Milliarden Dollar zeigen. Grund sind die hohen Kosten für die Produktion bei nur wenigen ausgelieferten Fahrzeugen. Auch eine plötzliche Preiserhöhung löste Unmut aus.
Anleger und Analysten hatten mehr erwartet
Im letzten Jahr legte Rivian einen der größten Börsengänge des Jahres hin, der dem Start-up eine Bewertung von über 100 Milliarden Dollar einbrachte. Doch die neusten Geschäftszahlen enttäuschten die Anleger: Rivian lieferte seit September 2021 insgesamt 920 Elektro-Pickups an Kunden aus. Trotz eines Umsatzes von 54 Millionen Dollar im vierten Quartal steht am Ende des Jahres ein Milliardenverlust. Obwohl Verluste in dieser Phase normal sind, verlor die Rivian-Aktie nach der Bekanntgabe der Zahlen an Wert – Analysten hatten trotz allem mit besseren Ergebnissen gerechnet.
Chipmangel und Lieferkettenprobleme bremsen Rivian weiter aus
Seit Beginn des neuen Jahres konnte Rivian das Tempo zunächst erhöhen. CEO RJ Scaringe sagte, sein Unternehmen habe bis Anfang März insgesamt 2.425 Fahrzeuge produziert. Die Nachfrage ist hoch, Rivian meldet 83.000 Vorbestellungen.
Dennoch rechnet der Autobauer weiter mit Einschränkungen. Die Gründe sind Probleme in der Lieferkette und die weltweite Chip-Knappheit. Für den Rest des Jahres muss Rivian deshalb einen eher bescheidenen Produktionsplan verfolgen. In einem Aktionärsbrief teilte das Unternehmen mit, dass man 2022 voraussichtlich nur 25.000 Fahrzeuge produzieren werde. Darunter ist auch der Elektro-Lieferwagen, den Rivian für Amazon baut.
Ohne die Lieferkettenprobleme könnte Rivian nach eigener Aussage 50.000 Fahrzeuge herstellen. „In Bezug auf die Lieferketten erleben wir zweifelsohne die größten Herausforderungen, die die Automobilindustrie je gesehen hat“, sagte Scaringe. Die Krise durch den Krieg in der Ukraine verschärft die Schwierigkeiten weiter.
Kunden wütend über plötzliche Preiserhöhung
Schon vor der Bekanntgabe der Geschäftszahlen war Rivian in die Schlagzeilen geraten: Nach einem Aufschrei seiner Kunden musste das Start-up eine geplante Preiserhöhung teilweise zurücknehmen. Sowohl der Pickup-Truck R1T als auch der SUV R1S sollten um bis zu 20 Prozent teurer werden – auch für Kunden, die ihr Modell bereits reserviert und mit 1.000 Dollar angezahlt hatten. Für die aktuelle Version des R1T sollten Käufer plötzlich 12.000 Dollar mehr zahlen, für den R1S sogar 14.500 Dollar mehr.
Nach dem Aufschrei und nachdem der Aktienkurs um weitere 25 Prozent einbrach, entschuldigte sich CEO Scaringe für die Erhöhungen. Für Bestandskunden sollen sie nun nicht mehr gelten – viele von ihnen hatten ihre Bestellungen storniert. Mehr als die Hälfte nahmen Rivian zufolge ihre Stornierung wieder zurück, nachdem die Preiserhöhung zurückgenommen wurde.
Als Folge verklagte allerdings ein Investor Rivian, da das Unternehmen bei der Anmeldung des Börsengangs keine Angaben zur Preisgestaltung gemacht habe. Er forderte den Status einer Sammelklage und eine Überprüfung durch die US-Börsenaufsicht wegen des Zeitpunkts der abrupten Preiserhöhungen. Diese hätten die Nachfrage negativ beeinflusst und die Marke beschädigt.
Wie geht es weiter für Rivian?
Rivian muss sich nun beweisen und zeigen, dass es fähig ist, Autos in großem Umfang herzustellen. An der Börse ist der Autobauer zwar immer noch etwa 50 Milliarden Dollar wert, doch die Aktien sind seit Beginn um etwa zwei Drittel gefallen. Rivian ist allerdings nicht der einzige Hersteller, der seine Produktionspläne aktuell zurückschraubt, auch Lucid Motors hat dies vor kurzem getan. Die Schwierigkeiten von Rivian erinnern zudem an Tesla – auch der Elektroauto-Pionier hatte zunächst große Schwierigkeiten, in die Massenproduktion einzusteigen.
Rivian wird von Ford und Amazon finanziert und scheint deshalb auf den ersten Blick sogar in einer besseren Lage zu sein als damals Tesla. Tesla war jedoch zu einem Zeitpunkt an Wachsen, zu dem der Markt für E-Fahrzeuge noch in den Anfängen steckte. Deshalb profitierte der Autobauer auch von den Elektro-Subventionen in den USA.
Rivian dagegen muss es in einem hart umkämpften Markt schaffen, in dem inzwischen auch viele etablierte Autohersteller mitmischen. Die Konkurrenz ist größer denn je, und Rivian muss schnell sein. Der Autobauer hat den Auftrag, 100.000 Elektrotransporter an Amazon zu liefern und muss gleichzeitig normale Kunden bei Laune halten. Wer heute ein Fahrzeug von Rivian bestellt, wird jedoch lange darauf warten müssen. Noch mehr schlechte PR und weitere Verzögerungen könnte deshalb das Aus für Rivian bedeuten.
Quellen / Weiterlesen
Q4 2021 Shareholder Letter | Rivian
Can Rivian Replicate Tesla’s Magic and Turn Things Around? | The Street
Bildquelle: © Rivian