Die Gerichtsentscheidung für Diesel-Fahrverbote in Berlin sorgt für hitzige Diskussionen. Gegner weisen dabei oft darauf hin, dass der Grenzwert für Stickoxide am Arbeitsplatz 950 Mikrogramm pro Kubikmeter beträgt und damit deutlich laxer ist als der Grenzwert für die Außenluft, der bei 40 Mikrogramm liegt. Warum ist das so und wo gilt denn nun welcher Grenzwert?
An Industriearbeitsplätzen ist die Stickoxid-Belastung am höchsten
Stickoxide entsteht bei der Benutzung von Dieselmotoren, aber auch bei Schweißvorgängen in der Industrie. Der Grenzwert von 950 Mikrogramm gilt deshalb ausdrücklich nur für Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk, das Umweltbundesamt (UBA) nennt die Herstellung von Dynamit und Nitrozellulose als Beispiel. An einem Industriearbeitsplatz sind gesunde Arbeitende der Belastung maximal acht Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche ausgesetzt. Sie werden außerdem arbeitsmedizinisch betreut und damit viel strenger beobachtet als die normale Bevölkerung. Deshalb geht man hier von einem höheren Grenzwert aus.
Strengere Grenzwerte für Büroarbeitsplätze und Privaträume
An Büroarbeitsplätzen und in Privaträumen gilt ein anderer, schon deutlich strengerer Stickoxid-Grenzwert. Dieser liegt bei 60 Mikrogramm pro Kubikmeter im Wochenschnitt. Wird dieser erreicht oder sogar überschritten, muss „unverzüglich“ gehandelt werden. Denn diese Konzentration kann besonders für empfindliche Menschen bei einem Daueraufenthalt im jeweiligen Raum gesundheitsgefährdend sein. Eine Aktualisierung dieses Grenzwertes ist laut Umweltbundesamt angestrebt. Entstehen können Stickoxide in Innenräumen zum Beispiel durch Kaminfeuer, Gasherde oder Holzöfen. Auch die Qualität der Außenluft spielt eine große Rolle. Auch an stark befahrenen Straßen ist die Stickoxidkonzentration innerhalb von Gebäuden höher.
Die Grenzwerte für die Außenluft schützen die Allgemeinbevölkerung
Der Grenzwert für die Außenluft ist also mit 40 Mikrogramm der strengste. Denn die normale Bevölkerung atmet die Außenluft ständig und ein Leben lang ein, also auch kranke und anfällige Menschen wie Schwangere, alte Menschen oder Menschen mit Atemwegserkrankungen. Die Grenzwerte für Luftschadstoffe werden auf Grundlage von Studien festgelegt, die gesundheitliche Folgen belasteter Luft über Jahrzehnte hinweg beobachtet und gezeigt haben. Der EU-Grenzwert für Stickoxide in der Außenluft entspricht der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Arbeitsplatzstudien bilden nicht zwangsläufig die reale Belastung ab
Was dabei auch zu beachten ist: Die Grenzwerte am Arbeitsplatz werden entweder über Probandenstudien oder über Tierversuche festgelegt. An den Probandenstudien nehmen meist gesunde Personen mittleren Alters teil, kein Querschnitt der Bevölkerung. Die Studien werden direkt am Arbeitsplatz der Teilnehmer durchgeführt und die Schadstoffbelastung wird dort gemessen. Diese Studien sind jedoch nicht immer langfristig angelegt. Außerdem sind Menschen nicht nur am Arbeitsplatz Stickoxiden ausgesetzt, sondern ihr Leben lang. Die Folgen jahrzehntelanger, vergleichsweise niedriger Stickstoffdioxid-Konzentrationen aus dem alltäglichen Leben außerhalb des Arbeitsplatzes können diese Studien nicht abbilden, schreibt das UBA. Auch deshalb setzt man für die Allgemeinbevölkerung einen viel strengeren Grenzwert an.
Quellen / WeiterlesenVerkehr und Arbeitsplatz – warum gelten unterschiedliche Stickoxidgrenzwerte? | Spiegel Online
Unterschied zwischen Außenluft- und Arbeitsplatzgrenzwert für NO2 | Umwelt Bundesamt
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