Die Energiekrise in China und ihre Folgen

Hohe Energiepreise und Stromknappheit schränken Chinas Industrie ein. Die Folge könnten globale Lieferengpässe sein.

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Um seine Klimaziele zu erreichen, hat China seinen Provinzen strenge Emissionsziele vorgegeben. Lokalregierungen rationieren deshalb inzwischen den Strom für Industrie und Verbraucher. Steigende Kohlepreise und ein besonders hoher Strombedarf verschärfen die Situation im Land.

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Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Dixon He von der WindQuiet Technologies Inc. erstellt.

Die Stromknappheit bedroht auch Privathaushalte

Normalerweise ist von Stromrationierungen in China hauptsächlich die Industrie betroffen. Doch jetzt, wo das Land sich zum Ziel gesetzt hat, seine Wirtschaft bis 2060 klimaneutral zu machen, muss sich auch die Bevölkerung einschränken. Ende September musste in mehreren nördlichen Provinzen Chinas die Straßenbeleuchtung wegen Stromausfällen abgeschaltet werden. Die Folge waren kilometerlange Staus.

In manchen Städten stellten Hausverwaltungen in Hochhäusern die Fahrstühle ab, so dass Bewohner die Treppe nehmen mussten. Teilweise wurde die Bevölkerung aufgefordert, Klimaanlagen abzuschalten und natürliches Licht statt Glühbirnen zu nutzen. In sozialen Medien gab es Berichte über ausgefallene Ampeln und Handynetze sowie Fotos von Geschäften, die Kerzen aufgestellt hatten.

Unterbrechung der Industrieproduktion

Noch weitaus härter traf es Chinas verarbeitende Industrie. Mehrere Zulieferer für Apple und Tesla mussten ihre Werke für mehrere Tage schließen. Auch Textilproduzenten, Halbleiterwerke, Hersteller von Sojabohnen und Aluminiumhütten waren betroffen.

Die Folgen der Krise

Die Energiekrise in China wirkt sich auf Wirtschaftsprognosen, Lieferketten und weiteres aus. Die Fabrikschließungen kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem die globalen Lieferketten ohnehin mit Problemen zu kämpfen haben. Inzwischen gibt es bereits Warnungen vor möglichen Engpässen bei Smartphones, Textilien, elektronischen Bauteilen und anderen Waren auf dem Weltmarkt.

Es droht ein deutlicher Dämpfer für das Wirtschaftswachstum: Goldman Sachs hat seine Prognose für das Wachstum des chinesischen Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr von 8,2 auf 7,8 Prozent gesenkt. Analysten warnen vor einem Schock für die größte Volkswirtschaft Asiens, die aktuell bereits durch die Krise des landesweit zweitgrößten Immobilienkonzerns Evergrande erschüttert wird. Evergrande droht die Pleite, was sich nicht nur auf den chinesischen Immobiliensektor auswirken könnte, sondern auch auf die chinesische und vielleicht die globale Wirtschaft.

Unterschiedliche Gründe für die Stromknappheit in den Regionen

Die Gründe, warum der Strom knapp wird, unterscheiden sich je nach Region. Im Süden wird die Wasserkraft knapp, während der Norden unter steigenden Kohlepreisen leidet.

Wasserknappheit im Süden Chinas

Chinas Süden, wo sich die Industrieregion Guangdong befindet, leidet schon seit Juni unter Stromknappheit. Rationierungen der lokalen Behörden zwangen die dortigen Fabriken, ihre Produktion zu drosseln. Guangdong und die ostchinesischen Provinzen Jiangsu und Zhejiang, die ebenfalls von Rationierungen betroffen sind, machen zusammen fast ein Drittel der chinesischen Wirtschaft aus.

Im Industriezentrum Guangdong stammt gut ein Drittel des Stroms aus Wasserkraft. Doch der besonders heiße Sommer in diesem Jahr führte zu leeren Stauseen. Gleichzeitig stiegen die chinesischen Exporte, weil die Industrie wegen Nachholeffekten nach der Pandemie gerade Bestellungen aus aller Welt abarbeitet. Der damit verbundene höhere Stromverbrauch führte zu einer Verknappung des Stroms.

Hinzu kommt, dass in der Provinz Yunnan, wo die Wasserkraft für Guangdong produziert wird, der lokale Strombedarf ebenfalls in die Höhe schnellte. Denn in der wasserreichen Region haben sich verstärkt Aluminiumhütten angesiedelt, die einen besonders hohen Strombedarf haben. Das hilft zwar, die Industrie zu dekarbonisieren, wie es Peking anstrebt. Doch es erhöht auch den Bedarf nach grünem Strom aus Wasserkraft vor Ort und setzt die Nachbarregionen unter Druck.

Kohle und Emissionsvorgaben im Norden Chinas

In Chinas trockenem und kalten Norden dagegen dominieren Kohlekraftwerke die Energieversorgung. Das macht es den dortigen Behörden schwer, Pekings verschärfte Emissionsvorgaben einzuhalten, die vor zwei Jahren in Kraft traten. Im August wurden mehrere Provinzen im Norden wegen der Überschreitung ihrer Emissionsreduktionsziele angeklagt, und reagierten mit Stromrationierungen für Aluminiumhütten und Bitcoin-Schürfer. Insgesamt hat fast die Hälfte der chinesischen Regionen die von Peking vorgegebenen Ziele für den Energieverbrauch verfehlt.

Zumindest zum Teil hat China diese Situation selbst verschuldet. Denn die strengen Emissionsvorgaben haben auch mit den Olympischen Winterspielen zu tun, die nächsten Februar in Peking stattfinden. Die chinesische Regierung möchte für einen blauen Himmel sorgen und der internationalen Gemeinschaft zeigen, dass man es mit den Ankündigungen, die Wirtschaft zu dekarbonisieren, ernst meint.

Steigende Kohlepreise zwingen Stromerzeuger in die Knie

Die chinesischen Klimaziele sind jedoch nicht der einzige Grund für die Stromknappheit. Die Preise für Kohle und Gas haben sich in China wegen der höheren Nachfrage nach der Pandemie mehr als verdoppelt. Da in China die Energiemärkte streng reguliert sind, geraten Energieerzeuger in Not. Denn sie dürfen die Preissteigerungen nicht an die Verbraucher weitergeben, sondern müssen sie selbst tragen. Die Folge: Immer geringere Gewinnmargen zwangen viele Erzeuger, die Stromproduktion zu drosseln, weil sie sich die Kohle nicht mehr leisten können.

Das führt inzwischen dazu, dass die chinesischen Energieerzeuger sich für das Undenkbare einsetzen: Die Verbraucher sollen die höheren Kosten tragen. Vor 2019 durften Erzeuger ihre Preise noch um bis zu 10 Prozent erhöhen, um einen plötzlichen Anstieg der Betriebskosten auszugleichen. Im Oktober 2019 wurden Tariferhöhungen jedoch auf unbestimmte Zeit eingefroren. Im August beantragten deshalb 11 Energieerzeuger aus dem Norden Chinas bei der Regierung, die Preise für Endverbraucher erhöhen zu dürfen und warnten vor einem drohenden Konkurs.

In der Provinz Guangdong im Süden, in der Haushalte vor einigen Tagen aufgefordert wurden, den Strom abzuschalten, will die lokale Regierung die Weitergabe der Kosten an die Verbraucher nun gestatten.

Was kann die chinesische Regierung tun?

Analysten sind der Ansicht, dass die Aufhebung der Obergrenze für Strom Chinas einzige Chance zur Bewältigung der Energiekrise ist. Die chinesische Regierung hat unterdessen angekündigt, die Stromerzeugung zu steigern. Durch eine kurzfristige Erhöhung der inländischen Kohleproduktion dürfte dies schwer zu schaffen sein, weshalb einige Experten erwarten, dass China wieder Kohle aus Australien importieren muss.

Zwar produziert China 90 Prozent seiner Kohle selbst, hat jedoch früher zusätzlich australische Kohle im Wert von 1 Milliarde US-Dollar importiert. Wegen diplomatischer Spannungen zwischen den beiden Ländern hatte China die Einfuhr aus Australien jedoch zu Beginn des Jahres verboten.

Quellen / Weiterlesen

Chinas Angst vor der Energiekrise | Spiegel
Chinas Zentralbank fordert Stabilisierung des Immobilienmarkts | Spiegel
Stromengpässe belasten chinesische Industriebetriebe – Sorge vor Energiekrise | RND
China stellt den Strom ab und trifft damit Apple und Tesla | Business Insider
China’s power crisis moves from the factory floor to homes | The Standard
Power cuts hit homes in north-east China | BBC News
Some Apple, Tesla suppliers suspend production in China amid power pinch | Reuters
China is rationing hydropower—and Bitcoin mines are getting cut off | Fortune
How China’s top coal province is defying Xi Jinping’s ‘carbon neutral’ pledge | Fortune
A Chinese province powered 8% of all Bitcoin mining. Then the government gave miners 2 months to get out | Fortune
Bildquelle: Wikipedia – Hahaheditor12667, CC BY-SA 4.0
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Stephan Hiller
Stephan Hiller ist Betriebswirt (Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin und in Cambridge, UK) mit umfangreicher Geschäftsführungs- und Start-Up Erfahrung. Er hat sich erfolgreich darauf spezialisiert, den Finanzbereich und das Controlling junger Unternehmen operativ zu betreuen und Start-Ups strategisch sowie in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Finanzen zu beraten. Er verfügt über umfassende kaufmännische Erfahrungen, die er durch mehrjährige Berufstätigkeit für internationale Unternehmen im In- und Ausland aufgebaut hat. Hierunter waren u.a. Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Automobilindustrie, Solarmodulhersteller und Projektentwickler aus dem Bereich erneuerbare Energien. Weiterhin hat er mehrere Unternehmensgründungen im Bereich erneuerbare Energien initiiert und erfolgreich mit aufgebaut. Stephan hat zusammen mit Ajaz Shah energyload.eu im Oktober 2013 gegründet.

2 Kommentare

  1. Der Grund für den extremen Preisanstieg bei den fossilen Energien liegt in der ideologisch motivierten Unterinvestition in diesem Bereich, sodass es zu einer künstlichen Verknappung gekommen ist. Und dies war politisch exakt so gewollt. Inzwischen bestraft sogar die EZB jeden Investor im fossilen Bereich, was überhaupt keine Aufgabe einer Zentralbank sein sollte. Aber wen interessieren heute schon noch internationale Verträge?

  2. Strassenbeleuchtung in China wurde schon vor ca. 10 Jahren mit LED und kleinen Vertikal-Windanlagen direkt auf den Laternen oder Solar ausgeführt um kostenintensive Stromleitungen zu sparen,
    Zusätzlich mit Bewegungsmelder damit die Gehwege für Fussgänger beleuchtet wurden.
    Das könnte überall gerschehen statt wie in DEutschland Nachts die Straßenlaternen, Werbung, Schaufensterbeleuchtung brennen zu lassen.
    In England besonders vororten von London etc. wurden Strassenlasternen mit LED umgerüstet und mit Lademöglichkeit fü E Autos versehen.
    Man muss es nur wollen statt wie in Island durch die warmen Quellen und Geothermie billigen Strom zu verschwenden weil die Bürger und junge Menschen tag und nacht TV Radio etc sowie licht brennen lassen.
    Wir haben und in Reikiavik im Winter über die Beleuchtung auch im privaten Bereich Nachts gewundert.

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