Umweltministerium: Der Anteil der Erneuerbaren muss bis 2030 auf 80% steigen

Die Umweltministerin fordert mehr Erneuerbare Energien am Strommix - während Experten schon jetzt warnen, dass die deutsche Energiewende zu langsam geht.

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Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert einen höheren Anteil von erneuerbaren Energien am Strommix. „Ich gehe davon aus, dass wir mindestens 75 Prozent Ökostromanteil bis 2030 brauchen, vielleicht sogar 80“, sagte sie der Neuen Osnabrücker Zeitung. Aktuell droht Deutschland aber schon seine aktuellen, niedrigeren Ziele zu verfehlen.

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Deutschland strebt 65 Prozent Ökostrom bis 2030 an

Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass der Ökostromanteil in Deutschland bis 2030 auf 65 steigen soll. Die Umweltministerin geht aber davon aus, dass das nicht reicht. Wie viel Ökostrom nötig sein werde, hänge letztlich auch von den Klimazielen der EU ab, sagte sie. Dabei werde der Energiesektor eine wichtige Rolle spielen. „Konkret heißt das, dass Deutschland jedes Jahr mehr Windräder und Solaranlagen installieren muss, als das bislang im EEG geplant ist“, sagte Schulze.

Zwischen Januar und September 2020 lag der Ökostromanteil in Deutschland bei 50 Prozent, allerdings war der Stromverbrauch wegen der Corona-Pandemie niedriger. 2019 hatte der Anteil bei knapp über 40 Prozent gelegen. Der Ausbau der Erneuerbaren ist ins Stocken geraten, deshalb warnen die Erneuerbaren-Branche und Umweltorganisationen, dass bereits das 65 Prozent-Ziel wankt. Besonders die Windenergie leidet stark unter regulatorischen Hürden und regionalem Widerstand gegen neue Windparks.

Wie Schulze den Ausbau der Erneuerbaren ankurbeln will

Schulze schlägt vor, Photovoltaik-Anlagen bei Neubauten künftig zum Standard zu machen. Auch im Bereich Windkraft müsse mehr passieren. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes der Bundesregierung soll den Windkraftausbau ankurbeln – Schulze kritisiert aber, dass in Bayern im Bereich Wind nichts passiere, weil die CSU das nicht wolle. Der Kernkraft erteilte sie eine deutliche Absage: Niemals werde sie Atomkraftwerke am Netz lassen, diese seien risikobehaftet und teuer.

Schulze sagte in der Neuen Osnabrücker Zeitung auch, sie wolle sich mit den Bundesländern auf gemeinsame Standards bei der Anwendung des Artenschutzrechts verständigen. Dieses stehe oft Bauvorhaben entgegen oder verzögere sie. Im Notfall will die Bundesumweltministerin sogar das Bundesnaturschutzgesetz ändern, um eine Vereinheitlichung zu erreichen.

EU-Kommission will ehrgeizigere Klimaziele

Die Europäische Kommission hat bereits vorgeschlagen, die Klimaziele der EU zu erhöhen. Bis 2030 sollen dem Vorschlag zufolge mindestens 55 Prozent Treibhausgase eingespart werden – bisher liegt die Zielmarke bei 40 Prozent. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt diesen neuen Vorschlag, während das Europäische Parlament sogar 60 Prozent fordert. In den EU-Staaten werden die Vorschläge derzeit diskutiert, eine Einigung wird bis Dezember 2020 angestrebt.

Experten gehen davon aus, dass ein EU-weites Klimaziel von 55 Prozent weniger Treibhausgasgasen wahrscheinlich bis 2030 einen nahezu kompletten Ausstieg aus der Kohle erfordern würde. Das würde auch die deutschen Pläne durcheinanderbringen, nach denen der endgültige Kohleausstieg erst 2038 ansteht.

Experten erwarten eine Ökostromlücke

Klimaaktivisten und Forscher weisen schon länger darauf hin, dass Deutschlands aktuelle Ausbauziele bei den Erneuerbaren Energien nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen. Der Umstieg auf Elektromobilität und die Pläne, verstärkt grünen Wasserstoff zu nutzen, wird den Stromverbrauch vermutlich in die Höhe treiben und einen massiven Ausbau der Erneuerbaren nötig machen. Während die Bundesregierung von einem gleichbleibenden Stromverbrauch ausgeht, erwarten viele Experten eine Versorgungslücke beim Ökostrom.

Anfang des Jahres hatte das Energiewirtschaftliche Institut (Ewi) der Uni Köln errechnet, dass die Produktion von Ökostrom in Deutschland bis 2030 um 53 Prozent steigen wird. Durch den steigenden Stromverbrauch wird das aber nach Ansicht der Forscher nicht einmal die Hälfte des Bedarfs decken.

Die Politik muss schnell handeln

Svenja Schulzes Forderung nach höheren Ausbauzielen kommt zeitgleich mit einer neuen Analyse, die die deutschen Übertragungsnetzbetreiber in Auftrag gegeben haben. Durchgeführt wurde sie von der Unternehmensberatung Enervis. Sie zeigt, dass der Ausbau der Erneuerbaren viel langsamer vorangehen wird als geplant, wenn die Regierung nicht schnell handelt.

Der Prognose zufolge wird Onshore-Windkraft bis 2025 nur um etwa 1,3 Gigawatt pro Jahr wachsen. Die Gesamtkapazität würde damit von jetzt 55 auf 61 Gigawatt steigen. Das eigentliche Ausbauziel laut EEG liegt bei 65 Gigawatt, wird sich laut Enervis aber kaum erreichen lassen. Der Grund sind Zulassungshürden und der Verlust älterer Anlagen, die nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen und deren Weiterbetrieb sich wegen der niedrigen Börsenstrompreise nicht mehr lohnen dürfte.

Bei Solarstrom sieht es nicht besser aus, hier geht Enervis bis 2025 von 71 GW Zubau statt der anvisierten 83 GW bis 2026 aus. Bei Energie aus Biomasse geht die Unternehmensberatung sogar davon aus, dass diese in den nächsten fünf Jahren sogar schrumpfen wird, von 8 auf unter 7 GW.

Quellen / Weiterlesen

Germany must push 2030 renewables target to 75 or even 80 percent – env min | Clean Energy Wire
Schulze will höheren Anteil von Ökostrom am Energiemix | Handelsblatt
Strompreis legt ab 2020 Windkraft still | Klimaretter.info
Bildquelle: pxhere

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Stephan Hiller
Stephan Hiller ist Betriebswirt (Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin und in Cambridge, UK) mit umfangreicher Geschäftsführungs- und Start-Up Erfahrung. Er hat sich erfolgreich darauf spezialisiert, den Finanzbereich und das Controlling junger Unternehmen operativ zu betreuen und Start-Ups strategisch sowie in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Finanzen zu beraten. Er verfügt über umfassende kaufmännische Erfahrungen, die er durch mehrjährige Berufstätigkeit für internationale Unternehmen im In- und Ausland aufgebaut hat. Hierunter waren u.a. Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Automobilindustrie, Solarmodulhersteller und Projektentwickler aus dem Bereich erneuerbare Energien. Weiterhin hat er mehrere Unternehmensgründungen im Bereich erneuerbare Energien initiiert und erfolgreich mit aufgebaut. Stephan hat zusammen mit Ajaz Shah energyload.eu im Oktober 2013 gegründet.

2 Kommentare

  1. Und wem haben wir das zu verdanken? Mutti und dem SchlUMaZ Altmeier! Der war schon als Umweltminister der Schlimmste aller Zeiten, daher SchlUMaZ, als Wirtschaftsminister hat er der regenerativen Energien in Deutschland endgültig den Hahn abgedreht.

    Dass wir trotzdem über 50 % Regenerativstrom haben, grenzt an ein Wunder.

  2. Viele Enthusiasten hier blenden aus, dass oberhalb von 50% Anteil von Erneuerbarem Strom die Luft sehr dünn wird, 1. weil diese Zusatzleistung in den kritischen Phasen nichts bringt ausser zusatzproblemen.
    Diese Phasen sind ca. 4-6 Wochen Dunkelflaute mit erneuerbarem Anteil < 5%, wo Ersatzkapazitäten konventioneller Art nicht mehr ausreichend verfügbar sein wird, sowie Phasen von ca. 15 Wochenden, wo überschussproduktion herrscht, der nicht umgewandelt werden kann. Summa Sumarum: viel Aufwand für effektiv immer weniger Nutzen. ich höre jetzt schon die gegenargumente: Großspeicher haben dann, ich möchte es gern glauben, allerdings mir fehlt nach 20 "Energiewende" besser Energiemurks fehlt mir der Glaube.

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