Hybridfahrzeuge: Im Realbetrieb starke Abweichungen von den offiziellen Zulassungstests

Plug-in-Hybride verbrauchen im Alltag weitaus mehr Kraftstoff als offiziell angegeben – Tendenz steigend.

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In Europa machten Plug-in-Hybride im ersten Quartal 2022 etwa neun Prozent der Neuzulassungen aus. Doch die Fahrzeuge, die Elektromotor und Verbrennungsmotor kombinieren, sind wahre Umweltsünder. Ihr realer Verbrauch liegt drei- bis fünfmal höher als offiziell angegeben, hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI ermittelt.

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Starke Abweichungen zwischen Testzyklus und realem Verbrauch

Das Fraunhofer ISI führte die Untersuchung gemeinsam mit der gemeinnützigen Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) durch. Das wichtigste Ergebnis fasst Dr. Patrick Plötz, der Hauptautor der Studie, so zusammen: „Im Mittel fallen die realen Kraftstoffverbräuche und CO2-Emissionen von Plug-in-Hybridfahrzeugen bei privaten Haltern in Deutschland und anderen europäischen Ländern etwa dreimal so hoch aus wie im offiziellen Testzyklus, während die Werte bei Dienstwagen sogar etwa fünfmal so hoch sind.“

Die Forscher legten reale Nutzungsdaten zugrunde

Die Ergebnisse stammen aus realen Nutzungsdaten von etwa 9.000 Plug-in-Hybridfahrzeugen in ganz Europa. Die Forscher untersuchten unter anderem anonymisierte Daten, die Fahrzeughalter an Online-Portale wie Spritmonitor.de oder im Rahmen früherer Befragungen übermittelt hatten. Außerdem wurden Auswertungen zu Firmenfahrzeugen von Flottenkunden einbezogen.

Die Ergebnisse in Zahlen: Der reale Kraftstoffverbrauch bei privaten Plug-in-Hybriden beträgt im Durchschnitt etwa 4,0 bis 4,4 Liter je 100 Kilometer. Bei Dienstwagen sind es sogar 7,6 bis 8,4 Liter. Zum Vergleich: Laut offiziellen Tests liegt der Verbrauch im Durchschnitt nur bei etwa 1,6 bzw. 1,7 Liter auf 100 Kilometer.

Das zeigt, dass die Abweichung zwischen den offiziellen Angaben und realen Erfahrungswerten bei Plug-in-Hybridfahrzeugen sehr viel größer ist als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Jeder zusätzliche Liter Benzin kostet jedoch nicht nur Geld, sondern bedeutet auch, dass die CO2-Emissionsziele der EU überschritten werden, die für Neuwagenflotten der Hersteller gelten.

Die Abweichungen sind bei neuen Modellen sogar noch größer

Die Untersuchung zeigte zudem, dass die Abweichung sogar gestiegen ist. Das Fraunhofer ISI und das ICCT hatten bereits 2020 eine solche Untersuchung durchgeführt. „Plug-in-Hybride, welche nach der neuen WLTP-Norm zertifiziert sind, weisen tendenziell eine noch höhere Abweichung auf als ältere, NEFZ-zertifizierte Modelle“, erklärt Dr. Georg Bieker, einer der Autoren der Studie. Die Abweichung steigt demnach jedes Jahr um etwa 0,1 bis 0,2 Liter je 100 Kilometer an.

Plug-in-Hybride fahren zu wenig elektrisch

Ein weiteres Problem ist, dass Plug-in-Hybride zu wenig elektrisch gefahren werden und ihr CO2-Einsparpotenzial deshalb nicht ausnutzen. Im Schnitt erbringen privat genutzte Plug-in-Hybride nur 45 bis 49 Prozent ihrer Fahrleistung weitgehend elektrisch. Bei Dienstwagen sind es sogar nur 11 bis 15 Prozent, teilte das Fraunhofer ISI mit.

Die Forscher empfehlen der Bundesregierung deshalb, Kaufprämien und die reduzierte Dienstwagenbesteuerung anzupassen. Sie sollten an den Nachweis eines elektrischen Fahranteils von etwa 80 Prozent oder einen realen Verbrauch von etwa 2 Litern pro 100 Kilometer geknüpft sein. Außerdem sollte der Utility Factor, der im WLTP den geschätzten elektrischen Fahranteil von Plug-in-Hybriden angibt, an die reale Nutzung angepasst werden. Dieser Vorschlag ist bereits in einer aktuellen Gesetzesinitiative der Europäischen Kommission enthalten.

Quellen / Weiterlesen

Plug-in-Hybride: Schmutziger statt besser | scienexx
Neuere Plug-in Hybridfahrzeuge weichen beim Kraftstoffverbrauch noch stärker von Testzyklen ab als frühere Modelle | Fraunhofer ISS
Sparsam nur auf dem Papier | Automobilwoche
Kraftstoffverbrauch weicht immer stärker von Testzyklen ab | elektroniknet.de
Bildquelle: Wikipedia – Matt Howard, CC BY-SA 2.0

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Stephan Hiller
Stephan Hiller ist Betriebswirt (Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin und in Cambridge, UK) mit umfangreicher Geschäftsführungs- und Start-Up Erfahrung. Er hat sich erfolgreich darauf spezialisiert, den Finanzbereich und das Controlling junger Unternehmen operativ zu betreuen und Start-Ups strategisch sowie in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Finanzen zu beraten. Er verfügt über umfassende kaufmännische Erfahrungen, die er durch mehrjährige Berufstätigkeit für internationale Unternehmen im In- und Ausland aufgebaut hat. Hierunter waren u.a. Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Automobilindustrie, Solarmodulhersteller und Projektentwickler aus dem Bereich erneuerbare Energien. Weiterhin hat er mehrere Unternehmensgründungen im Bereich erneuerbare Energien initiiert und erfolgreich mit aufgebaut. Stephan hat zusammen mit Ajaz Shah energyload.eu im Oktober 2013 gegründet.

2 Kommentare

  1. Wie kann man überhaupt davon ausgehen, dass ein Auto umweltfreundlich sei? Elektrofahrzeuge sind doch ebenfalls absolut nicht umwelt- oder klimaneutral. Es muss endlich einmal Schluss sein mit dieser Lüge vom umweltfreundlichen Auto.

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