StEnSea: ABB-Regelung für Tiefsee-Pumpspeicher

StEnSea: Offshore-Energiespeicher nutzt Meerestiefe. ABB-Umrichter regelt Pleuger-Pumpe in Betonkugel für Windstrom-Speicherung.

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StEnSea-Konzept

Das StEnSea-Projekt des Fraunhofer IEE, Pleuger Industries und ABB präsentiert eine bahnbrechende Speicherlösung für große Mengen elektrischer Energie offshore. Das System nutzt hohle Betonkugeln in 600 bis 800 Metern Tiefe als Pumpspeicher. Dabei wird mit überschüssigem Strom Wasser gegen den hohen Außendruck aus der Kugel gepumpt (Speicherung), und bei Bedarf treibt das einströmende Wasser eine Turbine an (Stromerzeugung). Gesteuert wird dieser hochdynamische Prozess präzise durch den rückspeisefähigen ABB-Frequenzumrichter ACS880-17, der dank seiner aktiven Einspeiseeinheit den Energiefluss in beide Richtungen effizient regelt.

Unterwasser-Pumpspeicher: Das StEnSea-Konzept

Das Projekt StEnSea (Stored Energy in the Sea) revolutioniert die Speicherung erneuerbarer Energien, dabei überträgt es das Funktionsprinzip traditioneller Pumpspeicherkraftwerke auf den Meeresboden. Somit ist es eine innovative Speicherlösung für die Offshore-Speicherung großer Mengen elektrischer Energie. Entwickelt wurde die Technologie vom Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE). Im Zuge dessen kombiniert man Windkraft mit dem natürlichen Wasserdruck in küstennahen Stromnetzen. Die Schlüsselkomponente der Technologie sind die soliden Unterwassermotorpumpen von Pleuger Industries, deren Betrieb ein rückspeisefähiger ABB-Frequenzumrichter ACS880-17 regelt.

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Funktionsweise und Speichermechanismus

Das Herzstück der StEnSea-Lösung sind hohle Betonkugeln, die Tauchpumpen enthalten, wobei man diese Kugeln in einer Tiefe von 600 bis 800 Metern auf dem Meeresboden platziert. Diese Wassertiefe ist entscheidend, weil der hohe hydrostatische Druck in dieser Zone eine besonders effiziente Energiespeicherung möglich macht. Demzufolge eignet sich die Technologie optimal für Küstenregionen mit tiefen Gewässern, etwa vor Norwegen, Portugal oder die Küsten Japans. Im Grunde genommen ist das Prinzip einfach und vergleichbar mit einem Pumpspeicher an Land.

    • Speicherung: Betrieben wir die Pleuger-Unterwassermotorpumpe mit überschüssigem Strom aus erneuerbaren Quellen. Diesen nutzt sie, um das Wasser gegen den Druck des umgebenden Meeres aus der Kugel zu pumpen. Dadurch entsteht im Inneren der Kugel ein Vakuum, das die Energie als potenzielle Energie speichert.
    • Stromerzeugung: Steigt der Energiebedarf, öffnet sich ein Ventil und das Meerwasser strömt durch den hohen Außendruck in die Kugel zurück. Das einströmende Wasser treibt die integrierte Pumpe rückwärts als Turbine an. Sie wandelt die kinetische Energie des Wassers in Strom um, der dann ins Netz eingespeist wird.
Kugelspeicher
Strom erzeugen: Wasser strömt durch eine Turbine in die leere Kugel hinein und erzeugt über einen Generator Strom

Präzise Kontrolle durch ABB-ACS880-17 Umrichter

Der rückspeisefähige ABB-Frequenzumrichter ACS880-17 verfügt über eine Nennleistung von 710 Kilowatt und ist für die Regelung der Pleuger-Pumpen-Motor-Einheit verantwortlich. Folglich ist er das zentrale Steuerungselement. Pleuger entschied sich erneut für ABB, da das frühere Bodensee-Projekt erfolgreich mit einem ACS800-Umrichter durchgeführt wurde und die Zusammenarbeit hervorragend war.

Da der Frequenzumrichter mit einer aktiven Einspeiseeinheit arbeitet, agiert er als Vier-Quadranten-Antrieb. Deshalb kann der ACS880-17 die Richtung des Energieflusses über die Drehzahl und das Drehmoment steuern. Man setzt ihn demnach zum Regeln der Pumpe im Ladebetrieb als auch der Turbine im Generatorbetrieb ein. Überdies kann man durch die präzise Drehzahlregelung die Leistung des Kugelspeichers jederzeit an den aktuellen Netzbedarf anpassen. Die aktive Einspeiseeinheit ermöglicht dabei den Energiefluss in zwei Richtungen: Er bezieht Antriebsenergie für die Pumpe aus dem Netz oder speist im Turbinenbetrieb Strom in das Netz zurück.

Technische Vorteile und Ökologie

Dank der aktiven Einspeiseeinheit und eines integrierten Netzfilters bietet der ACS880-17 entscheidende Vorteile. Verglichen mit konventionellen Umrichtern erzeugt er nur sehr geringe Oberschwingungen und weist dabei einen um bis zu 97 Prozent niedrigeren Oberschwingungsgehalt auf. Dies ist hilfreich, weil Oberschwingungen andere Verbraucher übermäßig aufheizen können. Solche Verzerrungen führen sonst zu Energieverlusten, zusätzlicher Kühlung und schlimmstenfalls zu vorzeitigen Ausfällen.

Der Umrichter wird auf einer schwimmenden Plattform installiert, wobei ein Transformator zwischen dem Niederspannungsfrequenzumrichter und dem Mittelspannungsmotor zwischengeschaltet ist. Dieser wandelt Mittelspannung in Niederspannung und Niederspannung in Mittelspannung um. Der niedrige Oberwellengehalt des ACS880-17 erlaubt es dabei, den Transformator kleiner zu dimensionieren. Somit kann die kompaktere Größe Platz und Kosten im Elektroraum sparen.

Tests, Skalierung und globales Potenzial

Darüber hinaus ist das StEnSea-System hochgradig skalierbar. Daher möchte man das System nach dem erfolgreichen Feldversuch mit einer 3-Meter-Kugel im Bodensee nun unter Offshore-Bedingungen testen. Im Rahmen dessen arbeitet das Fraunhofer IEE mit dem US-Start-up Sperra (3D-Betondruck) zusammen. Momentan wird ein 9-Meter-Prototyp vor der kalifornischen Küste bei Long Beach in der Nähe von Los Angeles (USA) verankert. Ferner möchte man das System spätestens Ende 2026 in Betrieb nehmen.

Das nächste Ziel sind dann Kugeln mit 30 Metern Durchmesser, dabei entspricht die Energie, die eine solche Kugel bei einmaligem Laden und Entladen erzeugt, etwa dem Jahresbedarf von zehn Haushalten in Deutschland. Kurzum: Die Leistung ist vergleichbar mit der Leistung einer großen Windenergieanlage. Zudem schätzt man das weltweite technische Nettopotenzial für unterseeische Pumpspeicher auf 75 Terawattstunden allein in US-Gewässern.

Quellen / Weiterlesen

Pumpspeicherkraftwerk auf dem Meeresgrund mit Frequenzumrichter von ABB | Pressemitteilung von ABB Motion Deutschland vom 09.10.2025 via Mail
StEnSea – Stored Energy in the Sea | Fraunhofer IEE
Forschungsprojekt StEnSEA 2.0 | Fraunhofer IEE
Forschungsprojekt StEnSEA | Fraunhofer IEE
Bildquelle: © Fraunhofer IEE
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Prof. Dr. Johann Nagengast
Nach Abschluss seines Studiums der Betriebswirtschaftslehre und Promotion zum Thema „Outsourcing von Dienstleistungen“ an der Universität Regensburg war Johann Nagengast in verschiedenen internationalen Unternehmen in führenden Positionen tätig. Seit 2001 ist er Professor für Internationales Management und Project Management an der Technischen Hochschule Deggendorf. Als Trainer, Coach und Berater ist er intensiv in verschiedenen internationalen Projekten tätig. Seine Schwerpunkte liegen in der praxisnahen und pragmatischen Vermittlung und unternehmensspezifischen Anwendung aller Aspekte des Projektmanagements.

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